Schule in Not: "Viele Lehrkräfte wollen Stunden reduzieren"

Junglehrerin im Fach Mathematik: In den MINT-Fächern ist der Mangel an Pädagogen besonders groß
AHS-Lehrervertreterin Eva Teimel über erschöpfte Lehrkräfte, Hürden für Junglehrer und warum manche trotz Lehrermangels keinen Job finden.

Eva Teimel  ist die neue Vorsitzende der österreichischen Professorenunion ÖPU und somit Interessensvertretung von AHS-Lehrkräften. Im KURIER spricht sie über Lehrermangel, fehlende Wertschätzung der Pädagoginnen und Pädagogen  und die Herausforderung für junge Kolleginnen und Kollegen.

Frau Teimel, was war Ihre persönliche Motivation, Lehrerin zu werden?
Eva Teimel:
Seit der Volksschule hatte ich immer positive Vorbilder. Es waren Menschen, die etwas bewegen und den Schülerinnen und Schülern etwas fürs Leben mitgeben wollten. Das Schöne an dem Beruf ist, dass man junge Menschen in einer  kritischen Phase des Lebens begleiten und wachsen sehen  darf.

Und welche Voraussetzungen braucht es, um  eine gute Lehrkraft zu sein?
Zwei Dinge: Die Person muss ein gutes Fachwissen haben und eine gefestigte Persönlichkeit sein.

Schule in Not: "Viele Lehrkräfte wollen Stunden reduzieren"

Eva Teimel ist die neue Vorsitzende der ÖPU-Professorenunion und beklagt die mangelnde Wertschätzung für ihren Berufsstand.

Bildungsminister Martin Polaschek hat versprochen, dass  mit Schulbeginn in jeder Klasse ein Lehrer steht. Ist dem auch so?  
Ja. Im Großen und Ganzen kann der Unterricht in Gymnasien aufrechterhalten werden, aber ohne Quereinsteiger und Studierende würde es nicht gehen.

Gibt es einen generellen Lehrermangel, oder fehlen Pädagoginnen nur in bestimmten Fächern und  Regionen?  
Junge Lehrkräfte bekommen nicht mit jeder Fächerkombination garantiert eine  Stelle. Es gibt  die Mangelfächer: die MINT Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik sowie die kreativen Fächern Musik, Kunst und Design und zum Teil auch Sport.

In Bayern darf man nur bestimmte Fächerkombinationen studieren. Wäre es nicht besser, man würde auch in Österreich steuern? 
Nein, was jemand  studiert, liegt in seiner Verantwortung. Die Uni und das Ministerium können aber kommunizieren, dass zum Beispiel für Französisch und Geschichte die Chancen, eine Stelle zu bekommen, nicht sonderlich groß sind. Am Ende soll jeder das machen, wofür er sich begeistert. Ich selbst wollte nach der Matura unbedingt Latein studieren. Damals sagte man: „Das Fach wird abgeschafft werden.“  Doch Latein hat sich wieder gefangen und es  gab Zeiten, da konnte ich mich vor Lateinstunden nicht wehren. 

Sie bemängeln die schlechte Bezahlung der Lehrpersonen. Im Vergleich zu anderen Geisteswissenschaften sind Lehrer doch sehr gut bezahlt.
Im neuen Lehrerdienstrecht wurde die Lehrverpflichtung nach oben geschraubt. Das Einstiegsgehalt wurde im zwar nach oben gesetzt wurde, aber das Lebenseinkommen bei den AHS-Lehrern gesenkt. Das ist klar gegen  Willen der Sozialpartnerschaft eingeführt worden.

Für junge Menschen ist Geld sicher nicht der wichtigste Punkt. 
Nein, es fehlt oft an Wertschätzung seitens des Dienstgeber oder der Bevölkerung. Die junge Generation hat den Wunsch nach Zufriedenheit in der Arbeit.

Das Ansehen der Pädagoginnen und Pädagogen ist im Vergleich zu anderen Berufsgruppen  im oberen Drittel, also nicht so schlecht. Jammern Lehrkräfte nur gerne? 
Es ist jetzt nicht nur ein Jammern, sondern ein Aufzeigen der Tatsache, dass der Rückhalt seitens des Ministerium und der Bildungsdirektion oft  eher gering ist. Beispiel: Der Lehrberuf ist wirklich anstrengend – bei der Arbeit mit pubertierenden Kindern werden viele Probleme in die Schule getragen, auch die Eltern werden immer fordernder. Viele Lehrkräfte  wollen deshalb reduzieren oder ein unbezahltes Freijahr – das nicht aus Jux und Tollerei, sie sind erschöpft. Aufgrund des Lehrermangels wird das einfach nicht nicht mehr genehmigt.

Mangelnde Wertschätzung gibt es auch von Lehrern gegenüber Kindern.  Wo ist da die Standesvertretung? Steht sie zu sehr hinter schwarzen Schafen, die dem Image des Berufs letztlich schaden?
In jeder Berufsgruppe gibt es schwarze Schafe. In der Schule  können sie sich nicht verstecken und sind deshalb offensichtlich. Es ist nicht meine Aufgabe zu beurteilen, ob jemand ein guter Pädagoge ist – das ist Aufgabe der Schulleitungen und  Schulaufsicht. 

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Aber wenn es Probleme mit Lehrpersonen gibt, ist die Personalvertretung zur Stelle und unterstützt diese.  So etwas wird man von ihnen nicht erleben?
Es gibt natürlich Regeln, an die sich alle halten müssen. Und das ist auch gut so. Ich schaue mir jeden Fall genau an und bisweilen tut man sich mit einer Unterstützung schwer.

In der Schule sollen immer mehr Themen bearbeitet werden: Verkehrserziehung, politische Bildung und  jetzt  Financial Literacy. Haben Sie noch den Überblick, was neben dem Schulstoff alles  vermittelt werden soll? 
Es ist schon sehr viel, was  an Themen  in die Schule getragen wird. Manchmal hat man da das Gefühl, der normale Unterricht bleibt auf der Strecke. Und jetzt  kommt noch dazu, dass wir die psychischen Folgen der Pandemie sehr merken. Deswegen  fordere ich mehr  Sozialarbeiter, Psychologen etc. Aber auch da gibt es wahrscheinlich Personalmangel.

Auch Firmen müssen mit weniger Personal auskommen. Wie könnte man Schule effizienter gestalten? Bürokratie abbauen? 
Ja, damit Lehrpersonen zum Unterrichten kommen. Ein Klassenvorstand hat etwa  zu Schulbeginn viele Zettel  und  Beiträge wie Kopiergeld einzusammeln – oft rennt man den Dingen ewig nach. Dann kommt der Schulfotograf und wieder geht eine Unterrichtsstunde verloren. Das könnte man ausgliedern.

Wenn die Lehrer weniger bürokratischen Aufwand hätten, könnten sie ja mehr Stunden übernehmen.
An der Unterrichtsverpflichtung würde ich nicht rütteln.

Immer wenn im KURIER über Lehrermangel geschrieben wird, schreiben ausgebildete Lehrer, dass sie sich beworben haben, aber keine Antwort erhalten hätten. 
Das ist sicher ein Thema  und auch das zeigt die mangelnde Wertschätzung durch  den Arbeitgeber. Genauso wie die Tatsache, dass  Junglehrpersonen oft erst in fünf Jahren einen fixen Vertrag bekommen oder  erst spät erfahren, an welchem Standort sie beginnen. Ein Problem ist aber, dass die Bildungsdirektionen  auch an Personalmangel leiden. 

Mangelnde Wertschätzung erleben Junglehrer auch dort, wo Schulleitungen schwach sind. Weil Direktionen es sich mit älteren Kollegen nicht verscherzen wollen, bekommen Neulinge die schwierigsten Klassen. 
Das ist dann Sache der Personalvertretung vor Ort. Wobei das erste Schuljahr für Lehrer immer eine Herausforderung ist, weshalb ich für eine Wiedereinführung des Unterrichtspraktikums bin (in der alten Lehrerbildung dauerte dies ein Jahr und die Junglehrer mussten ein Jahr eine Art Praxisausbildung machen, Anm.), das es bei der „Lehrer*innenbildung neu“ nicht gibt. Jetzt müssen die Jungen  sofort alleine unterrichten – sie haben zwar Mentoren, aber die unterrichten oft nicht einmal die gleichen Fächer. An wen sollen sich die Jungen da wenden, wenn sie z.B. eine Frage zur Erstellung von Schularbeiten haben?

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