Ökonom bezweifelt Wirtschaftlichkeit von Massentests

Schon ab 2.400 Corona-Infektionen, die man pro Monat mittels Testen verhindern kann, sei ein flächendeckendes Angebot an Gratis-PCR-Tests ökonomisch sinnvoll. Zu diesem prägnanten Ergebnis kommt eine wissenschaftliche Analyse der Wirtschaftskammer Wien. Sie will so – gegen die Linie der Bundesregierung – den Fortbestand des „Alles gurgelt“-Testangebots rechtfertigen. Der KURIER hat berichtet.
Die Argumentation der Studienautoren: Ab besagten 2.400 verhinderten Infektionen pro Monat (in Sommermonaten) spare man im Gesundheitssystem mehr Kosten (etwa für Krankenstände, Spitalsbetten oder Long-Covid-Therapien) ein, als das Testregime im Gegenzug verursache. Nämlich rund 11 Millionen Euro pro Monat. Im Winter (in dem man in der Studie von größerer Nachfrage nach Tests ausgeht) sei das Gratis-Angebot ab rund 5.300 verhinderten Infektionen wirtschaftlich. Die Stadt Wien geht davon aus, dass ihr Testregime von Oktober bis Dezember rund 60.000 Infektionen verhindert hat.
Der KURIER hat nachgeforscht, ob derartige Berechnungen plausibel sind. Der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer ist skeptisch. Er spricht von einer „Pseudo-Rechnung“. Es würden „schlichtweg die grundlegenden Daten fehlen“, um solche Kalkulationen anstellen zu können. „Wir wissen zum Beispiel nicht, wie viele Tests wir durchführen müssen, um die Infektion einer Person zu verhindern.“ Wenig Klarheit herrsche zudem über den Punkt, ab dem Intensivstationen tatsächlich aufgrund von Covid-Patienten überlastet seien. Auch dies sei ein wichtiger Faktor bei der Berechnung.
Falsche Zielgruppen?
Laut dem Experten hat es also Gründe, warum kein anderes Land so intensiv auf das Testen setze wie Österreich und insbesondere Wien.
Beim „Gießkannen-Screening“ sieht Pichlbauer vor allem ein Problem: Egal, wie sehr man das Angebot ausweite, „testen lassen sich vor allem jene, die sich grundsätzlich vorsichtig verhalten“. Jene, die sorglos agieren, erreiche man auch mit größeren Angeboten nicht. „Dabei wären gerade sie eine wichtige Zielgruppe.“
Erst unlängst kritisierte auch der Epidemiologe Gerald Gartlehner im KURIER-Gespräch das „konzeptlose Testen von Symptomlosen“. Er forderte, sich lieber auf die rasche diagnostische Abklärung von Verdachtsfällen und das Screening bei Risikopatienten zu konzentrieren. Die Autoren der Wirtschaftskammer-Analyse beur-teilen das – naturgemäß – anders: Sie verweisen auf Studien, die belegen, dass die effektive Reproduktionszahl (die angibt, wie viele weitere Menschen ein Infizierter ansteckt) durch kontinuierliche Massentestung (gepaart mit Contact Tracing und Isolierung) um 10 bis 15 Prozent gesenkt werden könne. Wird zu selten getestet, dann verpufft der Effekt.
Die Wiener PCR-Teststrategie, heißt es in der Studie, weise große Ähnlichkeiten mit idealtypischen Massentests auf, weshalb „darauf geschlossen werden kann, dass sie das Infektionsgeschehen positiv beeinflussen kann“.
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