Drei Stunden statt 13 Minuten: Was die Sperre des Tauerntunnels bedeutet
Um halb sieben Uhr früh ist es am Bahnhof Mallnitz-Obervellach in Kärnten noch stockfinster, die Leuchtschrift des Mallnitzer Bergadvents ist deshalb besonders gut zu sehen.
Die Sonne schafft es erst um 9 Uhr über den Berg, dann bleibt sie aber meistens da. Zwar nur bis kurz nach 14 Uhr, aber dafür ohne störende Einflüsse wie Hochnebel, weiß die Kellnerin in der Bahnhof-Reste.
Bahnhofs-Reste in Mallnitz-Obervellach
Morgens am Bahnhof
Mallnitz-Obervellach
KURIER-Redakteur Josef Kleinrath vor der Abfahrt
Wir befinden uns an der Südseite des Tauern, auf der Kärntner Seite der doppelten Sackgasse Tauernschleuse durch den Tauerntunnel. Denn dieser ist seit Montag gesperrt.
Tunnel muss saniert werden
Nach 113 Jahren sind umfangreiche Sanierungsarbeiten nötig. 8.371 Meter ist der Tunnel lang. 80.000 Meter, also rund 80 Kilometer, erspart man sich mit dem Auto, wenn man auf die andere Seite des Tauern will.
Und das wollen viele: 400.000 Reisende pro Jahr, 180.000 Autos. Und das war vor Errichtung der Tauernautobahn in den 1970-er-Jahren ein Vielfaches: 800.000 Autos wurde damals durch den Tauern geschleust, dazu über zwei Millionen Fahrgäste.
"Da müssen wir alle durch"
Wirkt sich die Sperre des Tunnels in der Region aus? "Ist erst der zweite Tag", schmunzelt die Kellnerin, "aber die Leute hier haben großes Verständnis, dass der Tunnel saniert wird. Da müssen wir jetzt alle durch." Weil alle jetzt einmal acht Monate nicht durch den Tunnel können.
"Viele haben sich darauf eingestellt und fahren mit dem Auto", wirft ein ÖBB-Mitarbeiter ein, der den Kaffee seines Kollegen mitbezahlt. Die Sorgen im Kärntner Mölltal - und auch im Salzburger Gasteinertal - sind groß.
Pendler arbeiten, wenn es geht, im Homeoffice, andere werden vom Tages- zum Wochenpendler, manche haben Job gewechselt. Und Tourismusbetriebe spüren bereits einen Rückgang bei den Buchungen.
- Personen-Fernverkehr zwischen Salzburg und Villach bzw. Klagenfurt: Von 18. November 2024 bis 13. Juli 2025 wird ein Schienenersatzverkehr mit Bussen zwischen Bischofshofen und Spittal-Millstättersee eingerichtet.
- Personen-Fernverkehr zwischen Salzburg und Bad Gastein: Streckensperre ab 3. März 2025 bis 13. Juli 2025. Ein Schienenersatzverkehr mit Bussen zwischen Schwarzach/St. Veit und Bad Gastein wird eingerichtet.
- Personen Fern-/Nahverkehr zwischen Klagenfurt, Villach, Lienz und Mallnitz-Obervellach: ab 18. November 2024 bis 27. Juni 2025 verkehren die Fernverkehrszüge in diesem Abschnitt in geänderten Zeitlagen und stellen den Anschluss für Fernverkehrsreisende zum Schienenersatzverkehr in Spittal-Millstättersee von/nach Bischofshofen sicher.
- Autoschleuse Tauernbahn zwischen Böckstein und Mallnitz-Obervellach: Ausfall von 18. November 2024 bis 4. Juli 2025. Aufnahme des Betriebs mit Betriebsbeginn 5. Juli 2025 (Beginn Sommerferien)
- Güterverkehr: Von 18. November 2024 bis 13. Juli 2025 Umleitung über Selzthal. (www.oebb.at)
Das Leid der Pendler
"Oft sind die Züge zwischen Mallnitz und Spittal rammelvoll", wundern sich zwei Bahnfahrerinnen, dass in dem Zug um 7.17 Uhr keine zehn Fahrgäste sitzen. "Wos is denn dia passiert", fragt Schaffner Walter in seinem breiten Kärntner Dialekt eine der Frauen. "Ah, des wiad wieda, woa lei die Hond ei'gipst", lacht sie freudig zurück.
Zuvor hat der aus dem Gastgewerbe kommende ÖBB-Mitarbeiter genau durchgesagt, wie wir den Weg bis Bad Gastein trotz Tauerntunnel-Sperre gut bewältigen. Bei den fremden Fahrgästen fragt er nochmals nach, ob sie sich eh auskennen.
7.39 Uhr. Ankunft in Spittal-Millstättersee. Der nächste Schienenersatzverkehr nach Bischofshofen fährt erst um 8.20 Uhr, er orientiert sich an den Zügen, die vom Süden kommen. Und der IC kommt laut Fahrplan um 8.12 Uhr.
Sperre ÖBB Tauerntunnel
Sperre ÖBB Tauerntunnel
Der Zug aus Klagenfurt hat Verspätung, erst 7 Minuten, dann 17, dann 19. Bleibt Zeit für ein Frühstück in Strobls Café, "dem echten Bäcker aus Afritz". Aber diesmal werden die ersten zwei Busse nicht - wie am ersten Tag - warten.
Im ersten Bus sitzen fünf Gäste, Christian Nindler fährt den zweiten Bus leer nach Bischofshofen: "Wir sind dabei, Erfahrungen zu sammeln, am Anfang muss man einmal mehr anbieten, damit kein einziger Fahrgast zurückbleiben muss."
Zu oft schon habe es Kritik an zu wenig Angebot beim Schienenersatzverkehr gegeben, weiß er. Und er ist auch für die Rückfahrt aus Bischofshofen von der ÖBB gebucht.
Edin vor seinem Fahrzeug
Sperre ÖBB Tauerntunnel
Sperre ÖBB Tauerntunnel
Um 8.37 Uhr geht es los. Die vertraute Stimme von Chris Lohner wünscht uns in Bus drei eine angenehme Fahrt. 17 Minuten Verspätung, bei den Ankömmlingen aus dem verspäteten Zug ist die Erleichterung groß, dass sie nicht bis 9.20 Uhr warten müssen.
Die letzte Minute ist einem Touristenpärchen geschuldet, er war noch schnell beim Bäcker Proviant kaufen, sie hat mit dem Fuß in der Bustür auf ihn gewartet.
Schöne Ausblicke
Landschaftlich gesehen ist die Fahrt (meist) ein Gewinn. Statt finsterer Tunnelmauern geht es entlang der Lieser auf die Tauernautobahn A10. Die ist vom Verkehrsfunk bekannt, wegen stundenlanger Staus in der Hauptreisezeit oder nach Unfällen.
Trotz Baustelle geht es gut voran, die Lärmschutzwände verstellen oft den Blick, auch Tunnelwände sind zu sehen. Aber dazwischen die Kärntner und später Salzburger Almen und Berge.
Bei St. Georgen im Katschtal ist die letzte Kirche zu sehen, ehe uns der Katschbergtunnel verschluckt und wir um 9.07 Uhr die Landesgrenze überschreiten. Auch die Mautstelle vor dem Tauerntunnel ist kein Problem.
Maria und Birgit sind unterwegs aus Klagenfurt nach Matrei, zu einer Tagung des Katholischen Bildungswerks, sonst haben sie auch öfters in der Stadt Salzburg zu tun.
Weniger Fahrten nach Salzburg
“Wir müssen jetzt öfter umsteigen, arbeiten im Bus geht außerdem gar nicht", resümiert Birgit. Eine Konsequenz der Sperre des Tauerntunnels: "Tagungen und Treffen in Salzburg werden bei uns während der Sperre vermieden."
Sperre ÖBB Tauerntunnel
Sperre Tauerntunnel
Um 9.59 Uhr erreicht der verspätete Bus Bischofshofen. Der Zug nach Schwarzach St. Veit, von wo aus ein Bus nach Bad Gastein gegangen wäre, ist weg. Drei Minuten zuvor ist er abgefahren.
Nächste Möglichkeit nach Bad Gastein: in einer Stunde, dafür bis ans Ziel mit dem Zug. Wieder gibt es sofort freundliche Hilfe von einer ÖBB-Mitarbeiterin: "Gleich gegenüber des Bahnhofs gibt es ein total nettes Café."
Stimmt, das Café Bauer ist total nett. Die Stunde fehlt dennoch. Die Reisenden nach Salzburg haben mehr Glück. Ihr Zug geht um 10.04 Uhr. In Bischofshofen wartet indes übrigens Busfahrer Christian Nindler wieder auf neue Gäste - wieder vergebens.
Ab 3. März - also nach der Wintersaison - gibt es dann zwischen Schwarzach St. Veit und Bad Gastein bis Juli keinen Zugsverkehr mehr - Bahnhöfe und Strecke werden gleich mitsaniert. Dafür wird für Radtouristen ab 11. April ein Radshuttle zwischen Mallnitz und Bad Gastein eingerichtet.
Eine Nagelprobe für den Schienenersatzverkehr wird wohl Anfang Jänner sein - wenn in Bischofshofen der Abschluss der Vierschanzentournee stattfindet.
Zurück ins Jetzt. Claudia übersiedelt gerade von Salzburg zurück nach Villach. Heute ist sie mit dem Zug aus Kärnten nach Salzburg unterwegs und gerade in Bischofshofen angekommen.
"Ich hab ganz vergessen, dass jetzt ein Schienenersatzverkehr fährt", lacht sie. Denn sie wäre trotzdem gefahren, "weil ich Zug fahren liebe." Diese Liebe lässt auch die Tunnelsperre nicht erkalten.
Aber sie ist ob des geringen Andrangs auf die Busse überzeugt: "Viele fahren deswegen nicht." Die ortskundige Bahnfahrerin ist beim Umstieg in Spittal gleich zu einer Reiseführerin mutiert. "Come on, our train to Salzburg is at platform 3", treibt sie "ihre" Touristengruppe an.
Der Zug nach Bad Gastein hat ein paar Minuten Verspätung, der Anschlusszug nach Wörgl wartet in Schwarzach-St. Veit, sagt die Schaffnerin durch. Kein Wunder, sie hat in dem Zug dann Dienst und fährt nicht nach Bad Gastein mit.
Ankunft am Bahnsteig Bad Gastein
KURIER-Redakteur Josef Kleinrath erreicht Bad Gastein
Der Bahnhof von Bad Gastein
Hoher Sonnblick und Schareck im Blick, ein paar Schipisten sind schon als solche erkennbar. Die Bauarbeiten machen sich auf den letzten Streckenkilometern bemerkbar, der Zug fährt fast nur noch Schritttempo, ehe wir um 11. 40 Uhr endlich in Bad Gastein ankommen.
Der neue, lange Bahnsteig für Fernzüge ist schon erkennbar. Wenn er fertig ist, können auch diese in Bad Gastein halten. Und dann geht es auch wieder flott durch den Tauerntunnel, auch via Tauernschleuse. In 13 Minuten, nicht in drei Stunden, wenn alles glatt geht. Aber dann ist es Juli, und auch die Sonne kommt wieder früher über die Berge.
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