Obdachlose attackiert: "Tot oder nicht - es war ihnen egal"

Obdachlose attackiert: "Tot oder nicht - es war ihnen egal"
Drei Burschen in Leoben wegen Mordversuchs an 60-jähriger Frau nicht rechtskräftig zu hohen Haftstrafen verurteilt.

"Es wurde so lange auf sie eingetreten, bis die Frau verstummte", schildert die Staatsanwältin und schaut auf die drei jungen Männer, die - flankiert von drei Justizwachebeamten - im Verhandlungssaal sitzen. "Und dann haben sie ihre Videos begutachtet."

An mehreren Tagen im Juni 2022 sollen die drei Angeklagten - 16, 18 und 19 Jahre alt - eine obdachlose Frau geschlagen, getreten und gequält haben. Am Donnerstag werden sie aus der U-Haft in das Straflandesgericht Leoben geführt

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Es ist der zweite Anlauf in diesem Verfahren: Im Dezember 2022 war das Trio wegen schwerer Körperverletzung angeklagt. Doch nach der Befragung der Angeklagten entschied die Richterin - sie sei nicht zuständig. Die Staatsanwaltschaft dehnte die Anklage auf Mordversuch aus.

Die Anklägerin schildert ein Martyrium des 60-jährigen Opfers, das mehrere Tage gedauert haben soll. Erst soll einer der drei die Frau über eine Brücke in Kapfenberg getreten haben, ein Sturz, auf nur durch eine Böschung gebremst worden sei. "Er hat gesagt, das habe ihm gutgetan - und die anderen wollten das Gefühl auch haben."

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Das Opfer war stadtbekannt. Die Jugendlichen wussten, wo die Frau schlief: "Sie haben sie auf einer Campingliege gefunden. Erst urinierten sie auf sie, dann traten sie sie von der Liege." An einem anderen Abend fanden sie die Angeklagten im Foyer einer Bank - und sollen sie misshandelt haben und filmten sich gegenseitig oder ließen sich dabei von einer jungen Frau filmen.

Bis zu 20-Mal sollen die Angeklagten  - geboren in Niederösterreich, Salzburg und der Steiermark, aufgewachsen in Kapfenberg - auf den Kopf ihres Opfers eingeschlagen haben. "Das Opfer schrie und flehte, aufzuhören", beschreibt die Staatsanwältin. Bei der letzten Attacke verstummte die Frau schließlich und lag 15 Minuten lang regungslos am Boden. "Tot oder nicht, es war ihnen egal", kommentiert die Anklägerin. "Sie haben ihre Videos begutachtet." Sie fordert neben einer Verurteilung auch die Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum für alle drei Angeklagten.

Diversion für Filmerin

Letztlich alarmierte einer der drei Angreifer die Rettung, die Burschen flüchteten. Ihre drei Verteidiger beteuern, ihre Mandanten seien "tatsachengeständig. Aber das war kein Mordversuch", sagt eine Anwältin.

Die junge Frau, die bei Übergriffen zugeschaut und auch gefilmt haben soll, stand übrigens bereits vor Gericht: Sie kam mit einer Diversion davon - sie muss 120 Stunden gemeinnützige  Arbeit leisten, dann ist der Fall für sie erledigt.

Der Richter beschließt am Donnerstag, die Angeklagten getrennt voneinander zu befragen. Wieso er seinem Freund nicht gesagt habe, so etwas macht man nicht, nämlich eine Wehrlose zu treten, fragt er einen  damals 18-Jährigen. "Ich weiß nicht", antwortet er. Nach mehrmaligem Nachfragen weiß der Mann doch etwas: "Wir sind auf sie losgegangen, weil wir das witzig gefunden haben. Wir haben uns verabredet, um es ihr so richtig zu geben."

"Das Allerletzte"

Er sei seit 18 Jahren Jugendstrafrichter, betont der vorsitzende Richter: "Ich habe vieles gesehen, aber so etwas Abstoßendes wie diese Videos? Jemanden, der es eh schon schwer hat im Leben auch noch anzupinkeln - das ist das Allerletzte." Stimme schon, gesteht der 19-Jährige ein. "Ich kann nicht wirklich sagen, warum ich das gemacht hab'. Ich wollt' einfach Freunde haben und irgendwo dazu gehören."

Das Urteil

Der Prozess gegen die drei Angeklagten vor einem Geschworenengericht ist für mehre Tage angesetzt. Das Urteil fällt am späten Donnerstagabend: Der jüngste der Angeklagten wurde zu 14 Jahren Haft verurteilt, die beiden Älteren zu 16 bzw. 17 Jahren Haft. Zudem erfolgt die Einweisung in ein forensisch‐therapeutisches Zentrum aus. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

 

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