NS-Vergangenheit: In Linz muss Porsche weg
566 von 1.158 Verkehrsflächen sind in Linz nach Persönlichkeiten benannt. Diese wurden von der Linzer Straßennamenkommission auf mögliche historische Belastungen untersucht. Und sie wurde fündig.
61 Männer und drei Frauen wurden in Linz als historisch belastet eingestuft. Vier Männer davon in Kategorie 1, der höchsten Stufe: Bischof Johannes Maria Gföllner (propagierte öffentlich Antisemitismus und unterstützte die Abschaffung der Demokratie), Unterhaltungskünstler Franz Resl (radikaler Antisemit und nationalsozialistischer Ratsherr), Komponist Hans Pfitzner (radikaler Antisemit und Holocaust-Leugner) und Ferdinand Porsche, der als Lieblingsingenieur Adolf Hitlers gilt. Bei Porsche wird explizit seine „zentrale Rolle in der NS-Kriegswirtschaft“ sowie die Förderung von Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen, deren Tod Porsche in seinen Lagern in Kauf genommen habe, angeführt.
Karajan-Platz in Salzburg
1991 wurde ein Platz nach Herbert von Karajan benannt. Der Dirigent ist einer von 66 Namenspaten in der Stadt mit NS-Bezug. Ein Zusatztafel soll nun darauf hinweisen. Aktivisten hatten den Platz aus Protest bereits einmal „umbenannt“. Die Polizei schritt ein
Karl Lueger
Der Antisemitismus von Karl Lueger ist allgemein bekannt – umso umstrittener sind die Spuren, die bis heute das Stadtbild prägen. Derzeit wird eine Kontextualisierung für das Denkmal an der Ringstraße gesucht. Der Ringabschnitt vor der Hochschule wurde hingegen bereits 2012 in Universitätsring umbenannt
Große/Kleine Mohrengasse
Mohr im Hemd oder Mohrengasse: 2021 wurde auf die Rassismus-Vorwürfe reagiert. Im Supermarkt gibt es Schoko-Nuss-Kuchen, die Mohrengassen in Wien haben Zusatztafeln erhalten
Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger leitet nun die Umbenennung dieser vier Straßen ein: „In dieser Stadt sollten keine Verkehrsflächen oder Straßen nach Menschen benannt sein, deren historischer Hintergrund eine extrem starke Propagierung von Menschenfeindlichkeit auszeichnet.“ Im Linzer Stadtsenat gibt es dafür eine Mehrheit: Die Grünen und die ÖVP sind für die Umbenennung, die FPÖ hat sich noch keine Meinung dazu gebildet.
Diese Diskussion über die Umbenennung historisch belasteter Straßen ist keine Linzer Eigenheit (siehe nebenstehenden Bericht), wie die Lueger-Debatte in Wien oder die Diskussionen um Herbert von Karajan, der auch im Linzer Bericht vorkommt, zeigen.
Zusatztafeln statt Umbenennung
So konsequent wie aktuell in Linz erfolgt eine Umbenennung selten. Historikerberichte in Wien, Graz, Salzburg und Klagenfurt kommen zu ähnlichen Einordnungen, gerade was Porsche betrifft, an den über 30 Straßen in Österreich erinnern. In Klagenfurt wurde der Name einer Straße von Prof. Porsche auf Porsche geändert, um den Bezug weg von der Person auf das Fahrzeug zu legen.
In Salzburg will man mit Zusatztafeln arbeiten, während in Porsches Geburtsort Maffersdorf (Vratislavice nad Nisou), einem Stadtteil von Reichenberg/Liberec in Tschechien, Skoda 2015 das Geburtshaus Porsches abriss und dort ein Museum samt Gedenktafel errichtete. Zudem wurde der Name Ferdinand Porsche von einem Willkommensschild am Ortseingang entfernt.
In Graz wird Porsche übrigens nur als „problematisch“ eingestuft, während der Komponist Pfitzner auch in der steirischen Landeshauptstadt als „sehr problematisch“ gilt.
In Wiener Neustadt, wo Porsche viele Jahre gearbeitet hat, lässt man nichts über den Konstrukteur kommen. Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP): „Der Name Ferdinand Porsche hat so eine hohe Reputation für die Stadt Wiener Neustadt, deshalb sind bei uns keine Maßnahmen geplant.“ Auch keine erklärenden Tafeln.
Bei der Porsche AG stellt man sich der eigenen Geschichte und der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Die Umbenennung des Porschewegs in Linz befürwortet das Unternehmen aber nicht: „Durch das Tilgen von Geschichte im öffentlichen Raum wird aus unserer Sicht kein gesellschaftlicher Fortschritt erzielt.“
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