Notruf aus den Alpen: Wanderwege und Hütten brauchen Rettungspaket

Notruf aus den Alpen: Wanderwege und Hütten brauchen Rettungspaket
Klimawandel, Extremwetter und Abnützung: 95 Millionen Euro zur Sicherung von Wanderwegen und Hütten nötig.

Alpenverein, Naturfreunde und der Österreichische Touristenklub (ÖTK), die drei größten Vertreter des Verbands der alpinen Vereine Österreichs, schlagen Alarm.

Und es ist ein "alpiner Notruf", der da abgesetzt wird. "Nur ein finanzielles Rettungspaket in der Höhe von 95 Millionen Euro kann die Bedingungen schaffen, um Schutzhütten und Wanderwege auf den Bergen weiterhin zu bewahren", sagt Gerald Dunkel-Schwarzenberger, der Präsident dieser Vereinigung. 

Konkret geht es um 272 Hütten in hochalpinen Lagen und rund 50.000 Kilometer Wege und Steige, die von den Vereinen betrieben bzw. gesichert und erhalten werden. Die 95 Millionen Euro stellen das von den insgesamt zwölf Vereinen errechnete, unbedingt nötige, Investitionsvolumen für die nächsten fünf Jahre dar - und dieses Geld fordern die alpinen Vereine von der Regierung ein.

Drei bis vier Hütte pro Jahr schließen

Denn derzeit sperren pro Jahr in Österreichs Bergen drei bis vier Hütten zu, einzelne Wege müssen aufgelassen werden. Die Gründe: Die Hütten sind alt, bis zu 150 Jahre, kurze Bewirtschaftungszeiten, aufgestaute Sanierungsmaßnahmen: "Nahezu keine Hütte kann die Instandhaltungskosten aus dem laufenden Hüttenbetrieb finanzieren", weiß Dunkel-Schwarzenberger. 

Notruf aus den Alpen: Wanderwege und Hütten brauchen Rettungspaket

Die Vereine sind auf Mitgliedsbeiträge, Spenden und Zuschüsse der öffentlichen Hand angewiesen, um die alpine Infrastruktur, "das größte Sportgerät für die Allgemeinheit", wie er das Wegenetz in den Bergen bezeichnet, aufrecht zu erhalten. 

Sechs Millionen Euro gibt es derzeit vom Bund pro Jahr - das macht allerdings nicht einmal 20 Prozent der gesamt von den Vereinen investierten Kosten aus. 

Problem Klimawandel

"Uns reißt es die Wege weg", schildert Michael Platzer vom ÖTK die Dramatik, "einige Meter Weg sanieren kostet gleich einmal 120.000 Euro." Und das wird durch den Klimawandel stärker, und es kommt häufiger vor, dass die Infrastruktur zerstört wird.

Notruf aus den Alpen: Wanderwege und Hütten brauchen Rettungspaket

Dazu kommt, dass auftauender Permafrostboden die Hütten wegrutschen lässt, wie die Seethalerhütte im Dachsteinmassiv - oft sind Neubauten die einzige Alternative. Kostenpunkt: drei bis vier Millionen Euro je Hütte.

Zur Vereinigung zählen zwölf alpine Vereine in Österreich, Alpenverein, Naturfreunde und Österreichischer Touristenklub sind die drei größten. 

1862 wurde der Alpenverein gegründet, viele Hütten sind über 150 Jahre alt.

Insgesamt haben die zwölf Vereine 906.000 Mitglieder.

Sie betreiben über 400 Hütten mit 17.000 Schlafplätzen in ganz Österreich.

272 Hütten sind als Schutzhütten in extremen Berglagen ausgestaltet.

In allen Vereinen sind 35.000 ehrenamtliche Mitglieder aktiv engagiert.

Erst am Freitag wurde der Mast der Materialseilbahn einer ÖTK-Hütte von einem Sturm geknickt - und schon ist die Hütte zumindest vorübergehend nicht mehr bewirtschaftbar. 

Wasserknappheit in den Bergen

Am Großvenediger ist durch das Abschmelzen eines Gletschers, bedingt durch den Klimawandel, eine Kleinwasserkraftanlage versiegt, die die Hütte 30 Jahre lang mit Strom versorgt hat. Eine kostspielige PV-Anlage musste her.

Dazu kommt die Wasserknappheit - in den Bergen versiegt wegen des Klimawandels das Wasser, Hütten können keine Sanitäranlagen mehr anbieten. Und müssen schließen. 

Während die Baukosten um über 40 Prozent gestiegen sind, seien die Bundesmittel seit 2013 nicht mehr erhöht worden. Diese betragen außerdem im Schnitt lediglich 18 Prozent der laufenden Instandhaltungskosten. Viel zu wenig, sagen die alpinen Vereine mit Blick auf die Zahlen. 

Alleine im Alpenverein sind 1.000 ehrenamtliche Mitglieder im Einsatz, um das Wegenetz aufrecht zu erhalten. Dafür bringen sie jedes Jahr tausende ehrenamtliche Arbeitsstunden auf, und dieser Aufwand steigt aufgrund der zunehmenden Extremwetterereignisse ständig an“, betont Alpenvereinspräsident Wolfgang Schnabl mit Nachdruck. Neben den Kosten für die Erhaltung steigt auch das Risiko für die Haftung als Wegehalter

Und die Vereine haben ausgerechnet: Über das System der Ehrenamtlichen, die die Wege überprüfen und sichern, kostet der Erhalt eines Kilometers 40 Euro. Wird das an Professionisten übergeben, ist mit 400 Euro je Kilometer zu rechnen. 

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Nicole Muigg ist eine der Tausenden Ehrenamtlichen, die sich um die Sicherung des Wegenetzes in den Alpen kümmern. 

Touristische Visitenkarte

Die Vereine untermauern ihre Forderung mit aktuellen Zahlen aus dem Tourismus. Zwei Drittel der Urlauber gehen im Sommer in den Bergen wandern, der Berg ist Erholungsraum. Und die Hütten und Wege sind wesentliche Faktoren für die Lenkung der Besucherströme in den Bergen in sensiblen Bereichen. "Österreich würde seinen Stellenwert als Tourismusland verlieren, wenn die Hütten und Wege verloren gehen", ist Dunkel-Schwarzenberger überzeugt. 

Deshalb wurde auch die Petition gestartet, die unter notruf-aus-den-alpen.at unterzeichnet werden kann. 

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