Eine ganze Region bangt um "freundlichen Russen"
Langsam öffnet sich ein schmiedeeisernes Tor zum herrschaftlichen Landsitz, darauf die goldenen Initialen R & S. Das 600 Hektar große Anwesen gehört Rashid Sardarov, 66, milliardenschwerer russischer Oligarch mit einem Faible für die Jagd und für Österreich.
Mit Gut Brunntal in der 500-Seelen-Gemeinde Rohr im Gebirge im tiefsten Niederösterreich hat der Russe sein persönliches Refugium gefunden – samt Jagdgehege, zwei prunkvollen Gästehäusern, Naturteich, privatem Jagdschloss mit Hallenbad, Trophäenhalle und und und. Mehr als 30 Millionen Euro sind seit dem Kauf 2007 in das Brunntal geflossen und der Russe – nach anfänglicher Skepsis der Einheimischen – ist in die Rolle des Wohltäters der Region geschlüpft.
Obwohl der Magnat sich politisch nicht engagiert und sein Name sich auch nicht auf der internationalen Sanktionsliste gegen Russland findet, hängt aktuell das Damoklesschwert über dem Jagd-, Forst- und landwirtschaftlichen Betrieb.
Zukunftsangst
Die Mitarbeiter aus der Region bangen um die Zukunft des Brunntales, das sich in der Hand der beiden Verwalter Niki und Gregor Schreier zu einem beliebten Hideaway- und Hochzeitsrefugium für Gäste aus aller Welt gemausert hat.
Es kommen nicht nur gut betuchte Jagd- und Naturliebhaber, der Betrieb ist auch ein beliebter Rückzugsort und wichtiger Arbeit- und vor allem Auftraggeber im Tal. Zu Spitzenzeiten, etwa bei Hochzeiten, zählt man 30 Mitarbeiter, bis zu 80 Firmen erhalten jährlich Aufträge mit einem Volumen von mehreren Hunderttausend Euro.
Ohne Sardarovs finanzielle Zuwendungen ist dies alles in Gefahr. „Ganz ehrlich. Ich weiß nicht, wie es mit dem Krieg weitergeht, aber was das Brunntal betrifft, machen wir weiter, solange es geht. Die Sanktionen treffen derzeit leider jeden Russen, egal welcher politischen Gesinnung“, erklärt Niki Schreier beim Besuch des KURIER.
Fiasko durch Sanktionen
Wenn Österreich die Sanktionen auch gegen „freundliche Russen“ weiter verschärfe, drohe Betrieben wie dem Brunntal ein Fiasko.
Der Oligarch müsse zum Erhalt des Betriebes nicht nur laufende Kosten decken, sondern auch seine landwirtschaftlichen Grundabgaben und Fixkosten bezahlen. Derzeit alles ein Ding der Unmöglichkeit, solange Konten von Russen in Österreich auf Eis gelegt werden.
„Wir verstehen die Sanktionen. Der Krieg ist fürchterlich. Aber der wirtschaftliche Schaden für Österreich wird enorm sein, wenn man alle Russen in einen Topf wirft und nicht differenziert“, so Schreier. Im Brunntal sei man davon besonders betroffen.
Sardarov gilt als großer Gönner der Region. Die skeptische Landbevölkerung habe ihn anfangs falsch eingeschätzt, musste auch der Rohrer Bürgermeister Christian Wagner (ÖVP) eingestehen. Skepsis und Ängste seien mittlerweile verflogen. Sehr viele haben vom Engagement des Herrn Sardarov profitiert, sagt Wagner.
Raimundspiele
Mehr als eine Million Euro hat der Oligarch schon karitativ im Ort und der Umgebung gespendet.
Laut Niki Schreier werden seit 2011 persönlich ausgesuchte Projekte von Sardarov finanziell unterstützt. Die Volksschule im Ort hat eine neue Fassade und einen schmucken Kinderspielplatz bekommen.
Ohne die Spendengelder des Oligarchen wäre es sogar um die Raimund-Festspiele in Gutenstein schlecht bestellt gewesen. 40.000 Euro halfen dem Kulturbetrieb aus der Patsche.
Der Oligarch gilt außerdem als der Retter des Freibades in Gutenstein, und mit einer 70.000-Euro-Subvention konnte auch das Musikerhaus neu gebaut werden. Die örtliche Feuerwehr bekam eine 40.000-Euro-Finanzspritze für ein neues Rüstlöschfahrzeug.
Millionenauftrag
Einer der größten Nutznießer war mit der Familie Postl der lokale Holzbau-Spezialist. Der Betrieb zeichnete für den Bau der alpinen Chalets sowie aller Wirtschafts- und Nebengebäude verantwortlich – ein prestigeträchtiger Millionenauftrag.
Niki Schreier bleibt derzeit nur die Hoffnung auf ein rasches Ende des Krieges: „Ein Großteil unserer Gäste stammt aus der Ukraine und aus Russland. Sie haben auch hier schon friedlich miteinander gefeiert und es sich gut gehen lassen. Alle schätzen Österreich, nicht zuletzt wegen seiner Neutralität.“
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