Nach Routine-OP fast erblindet

Josef Netuschill erblindet nach der Operation des grauen Stars auf seinem rechten Auge.
Patientenanwalt fordert eine unabhängige Stelle, die gegen schwarze Schafe vorgeht.

Man muss noch von Glück reden, dass mein Mann wenigstens auf einem Auge noch sieht“, erzählt Maria N. Seit einer Grauer-Star-Operation vor knapp drei Jahren ist ihr Mann Josef auf dem rechten Auge blind.

Das hätte nicht sein müssen, wenn die behandelnde Augenärztin, eine Medizinerin aus NÖ, das Operationsrisiko richtig eingeschätzt und eine nach dem Eingriff aufgetretene Netzhautablösung früher erkannt hätte. Das ergab ein Gutachten, nachdem sich der Pensionist an die nö. Patientenanwaltschaft gewandt hatte.

Nach Routine-OP fast erblindet
Für sie ist die Ärztin keine Unbekannte: „Seit 2002 liegen 16 Beschwerdefälle auf, in sechs Fällen ist ein Behandlungsfehler evident“, sagt Gerald Bachinger, Patientenanwalt von Niederösterreich und Sprecher der ARGE Patientenanwälte.

Zwar ist die Ordination mittlerweile in Konkurs, doch Bachinger liegen Fälle von drei weiteren Ärzten in NÖ vor, die ähnlich gelagert sind. „Es geht hier um Gefahr in Verzug“, betont er. Deshalb wandte er sich bereits Anfang des Jahres an die ÖQMed. Diese Tochtergesellschaft der Ärztekammer ist für die Qualitätssicherung in den Arztordinationen zuständig (siehe rechts). Bachinger forderte die ÖQMed auf, die betroffenen Praxen einer Kontrolle zu unterziehen, wie es das Ärztegesetz vorsieht.

Verzögerungen

Passiert sei freilich seitdem wenig, kritisiert Bachinger: In einer ersten Antwort wurde eine juristische Prüfung der Anfrage angekündigt, zehn Wochen später fragte die ÖQMed beim Patientenanwalt nach, auf welche Qualitätskriterien sich sein Antrag bezieht. Für Bachinger ist das nichts weiter als ein „verzögerndes Taktieren, um Ärzte mit Qualitätsdefiziten zu schützen“.

Nach Routine-OP fast erblindet
Esther Thaler, ÖQMed
Esther Thaler, Geschäftsführerin der ÖQMed weist das zurück: „Wir können lediglich die Struktur- und Prozessqualität in einer Ordination überprüfen (etwa Einhaltung der Hygiene-Auflagen, Anm.), nicht aber das ärztliche Handeln an sich.“

Letzteres sei schließlich in der Praxis kaum möglich: „Wie soll einer unserer Mitarbeiter vor Ort feststellen, ob ein Arzt bei einer Behandlung Fehler macht?“ Im besten Fall könne man Probleme in der Dokumentation nachweisen. Letztlich ließen sich Behandlungsfehler aber oft nur durch Gutachten klären.

Geht es nach Bachinger, müsste die Qualitätskontrolle in Arzt-Ordinationen hingegen komplett auf neue Beine gestellt werden: „Immer wieder ist es so, dass Fälle von Behandlungsfehlern erst über eine Meldung bei der Patientenanwaltschaft ans Tageslicht kommen. Das zeigt, dass die Kontrolle nicht funktioniert.“

Bachinger stört vor allem, dass die ÖQMed bei der Ärztekammer angesiedelt ist und somit die Mediziner von ihren eigenen Standesvertretern kontrolliert werden.

Unabhängigkeit

Für die Kontrolle der Ordinationen brauche es aber eine unabhängige Institution. Ähnlich wie etwa die Lebensmittel-Aufsicht. „Denn die jetzige Situation ist so, als wenn die Wirtschaftskammer die Würstelstände kontrollieren würde.“

Josef N. hat mittlerweile die Star-Operation des zweiten Auges überstanden. Sie erfolgte komplikationslos in einem Spital. „Doch die Monate davor haben wir große Ängste ausgestanden“, erzählt seine Frau.

Struktur

Die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung & Qualitätsmanagement in der Medizin (ÖQMed) wurde auf Basis des Ärztegesetzes gegründet. Sie gehört zur Ärztekammer Beteiligungsholding GmbH, und ist somit eine Tochter der Kammer.

Aufgaben

Die ÖQMed betreibt die Qualitätssicherung der Arztordinationen durch die Ausarbeitung fachspezifischer Qualitätskriterien, sowie die Qualitätskontrolle durch Überprüfung der Einhaltung der Kriterien und der Ausstellung von Mängelbehebungsaufträgen.

Wie Probleme zwischen Ärzten und Patienten besser gelöst werden können, sorgt auch in Wien für Debatten. Die Wiener Ärztekammer will den Posten eines Patientenombudsmannes einrichten, der im Juni gekürt wird.

Zur Wahl stehen drei prominente Persönlichkeiten aus dem Gesundheitswesen: Franz Bittner, ehemaliger Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse, Josef Kandlhofer, früher Generaldirektor des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, sowie die Gesundheitsökonomin Andrea Schwarz-Hausmann.

Umstritten ist nicht zuletzt das Wahlprocedere: Österreichweit darf die Bevölkerung via SMS-Votum entscheiden, wer den Posten bekleiden soll.

Der neue Ombudsmann muss Beschwerden behandeln, Missstände klären oder Anregungen prüfen. Gewünscht wird auch die Zusammenarbeit mit der Patientenanwaltschaft. Diese ist eine Einrichtung der Stadt, Patientenanwältin ist derzeit die frühere Grün-Politikerin Sigrid Pilz. Dieser Posten sei politisch nicht unabhängig genug, begründet die Ärztekammer die Einrichtung einer eigenen Anlaufstelle.

„Die Patientenanwaltschaft wird durch ein klares gesetzliches Procedere bestellt“, sagt Pilz dazu. „Da mag die Ärztekammer mutmaßen, was sie will.“

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