Nach Kindesweglegung: Kritik an freier Sicht auf Grazer Babyklappe

Die Babyklappe in Wien befindet sich beim Wilhelminenspital
Das LKH überlegt nun, besseren Sichtschutz anzubringen. Der Mutter droht indes eine Haftstrafe.

Am 28. Dezember bringt eine 29-Jährige aus Deutschlandsberg (Steiermark) ein Baby zur Welt. Allein, in der Wohnung. Sie fährt die knapp 50 Kilometer nach Graz, wo sie ihr Kind in der Babyklappe beim Landeskrankenhaus (LKH) abgeben will. Doch dazu kommt es nicht: Die Frau legt ihr Kind in der Tiefgarage des Spitals ab, eingewickelt in Handtücher, gepackt in eine Sporttasche.

Später gibt sie bei der Polizei an, in der Nähe der Babyklappe seien sehr viele Fußgänger gewesen. Sie habe ihre ungewollte Schwangerschaft geheim halten wollen und Angst gehabt, gesehen zu werden. In der Hoffnung, dass ihre Tochter bald gefunden wird, habe sie ihr Kind in der Tiefgarage des Spitals abgelegt.

Eine folgenschwere Entscheidung.

Denn während das Weglegen eines Kindes in eine Babyklappe straffrei bleibt, steht das Aussetzen eines Kindes in Österreich unter Strafe. Im Fall der 29-Jährigen aus Deutschlandsberg hatte ein Besucher das Kind entdeckt. Die Polizei machte die Mutter schließlich über die Überwachungsvideos ausfindig. Sie wurde angezeigt, nun droht ihr eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Kritik kommt nun von Christa Pletz von der Kontaktstelle Anonyme Geburt und Babyklappe in Graz: Die Babyklappe des LKH Graz liegt in der Nähe des Eingangs zur Geburtsklinik. Zwar abgeschirmt durch eine Hecke, doch die ist im Winter nicht belaubt. Also auch nicht besonders blickdicht.

„Es ist ein Dilemma“

Außerdem gebe es dort viele Passanten. „Wir haben schon öfters gehört, dass dort viel los ist“, sagt Pletz. „Es ist ein Dilemma. Einerseits soll die Babyklappe gut zu finden sein, und es ist sinnvoll, dass die Klappe ans Spital angegliedert ist.“ Andererseits müsse die Anonymität der Frau gewahrt werden.

Hinzu kommt, dass die betroffene Junge Frau "viel richtig gemacht hat", sagt Pletz. Sie habe sich offensichtlich über die Babyklappe erkundigt, sie ist dafür extra nach Graz gefahren. "Schlussendlich ist es daran gescheitert, dass dort zu viele Leute waren. Das ist tragisch", sagt Pletz. Die Beratungsstelle will nun das Gespräch mit der Klinik suchen.

Mutter hätte "anderen Zeitpunkt finden können"

Der Leiter der Geburtsklinik am LKH, Wolfgang Schöll, kann die Kritik zum Teil nachvollziehen: „Ja, es gibt dort einen gewissen Personenverkehr. Aber mit etwas Geduld hätte die Mutter einen anderen, ruhigeren Zeitpunkt finden können.“ Auch in der psychischen Ausnahmesituation.

Reagieren will man trotzdem. Schöll überlegt nun, einen „Sichtschutz, der jahreszeitenunabhängig ist“ bei der Babyklappe anzubringen. „Zeitlichen Notfall“ sieht Schöll keinen: Seit 2001 – also seit es Babyklappen in Österreich gibt – seien 4 Kinder in der Grazer Babyklappe abgegeben worden. Zum Vergleich: 144 Kinder seien anonym geboren worden.

Österreichweit wurden 2018 (Zahlen aus 2019 liegen der Statistik Austria noch nicht vor, Anm.) 36 Kinder anonym geboren. Fünf wurden in Babyklappen gelegt.

Seit 2001 gibt es in Österreich für Frauen die Möglichkeit, Kinder anonym und straffrei wegzulegen. Entweder bei den Babyklappen (in jedem Bundesland), über eine anonyme Geburt (im Spital, ohne Angabe von Daten), oder durch eine anonyme Hand-zu-Hand-Übergabe. Dabei kann das bereits geborene Kind anonym, aber persönlich, im Spital abgegeben werden.

Alle Infos und eine Liste der Babyklappen: www.gesundheit.gv.at

Infos zur anonymen Geburt finden Sie hier.

Die Kontaktstelle Anonyme Geburt und Babyklappe der Caritas Steiermark finden Sie hier.

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