Mordverdacht: Leiche ging im Müll verloren
Mit einem Schraubenzieher will ein 28-jähriger Ungar einen 43-jährigen Landsmann vergangene Woche in Wien-Ottakring getötet haben. Die Tat soll in einem Gemeindebau in der Thaliastraße 75 stattgefunden haben. Dort lebt eine Frau, die ein Eifersuchtsdrama zwischen den Männern ausgelöst haben soll. Nachdem der Mann sein Opfer ermordet hatte, habe er ihn in einem Müllcontainer im Innenhof des Gemeindebaus entsorgt. Die Polizei fand inzwischen tatsächlich besagten Schraubenzieher in der Wohnung. Eine wichtiges Detail fehlt aber – nämlich die Leiche.
Auf den mutmaßlichen Mord aufmerksam wurde die Polizei Mitte vergangener Woche. Die Nachbarin Jasmina Andreic sagt im KURIER-Gespräch, sie habe die Beamten gerufen, da das Stiegenhaus voll mit Blut gewesen sei. Damals sei man aber noch von einer Streiterei ausgegangen.
Blutspuren sichtbar
In der Wohnung der Frau habe es des Öfteren Konflikte gegeben: Sie sei suchtkrank gewesen, habe immer wieder im Stiegenhaus geschlafen. Auch Flaschen seien aus dem Fenster geworfen worden. „In letzter Zeit war sie am ganzen Körper blau, weil sie geschlagen wurde“, erzählt die Nachbarin, die das Stiegenhaus des Karl-Volkert-Hofs zwei Mal vom Blut reinigte. Die Spuren sind aber immer noch sichtbar: Sie führen vom Lift in Richtung der Müllcontainer im Hof. „Früher war sie eine ganz Liebe“, beschreibt Andreic die Frau, „aber irgendetwas ist in ihrem Leben schief gegangen“.
Täter obdachlos
Auf den mutmaßlichen Mörder dürften die Ermittler dann erst durch ein Gerücht, das im Obdachlosenmilieu gestreut wurde, gekommen sein. Sowohl das Opfer als auch der mutmaßliche Täter dürften auf der Straße gelebt haben. Sie waren im Hof bekannt, denn sie hätten dort um Geld gebettelt und seien oft mit Schnapsflaschen herumgelaufen.
Nachdem die Polizei die Ermittlungen aufgenommen hatte, ging am Freitag bei Wien Energie die Alarmierung ein, sofort die Maschinen der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig zu stoppen, wie Wien-Energie-Pressesprecherin Lisa Grohs dem KURIER sagt: „Die Anlage wurde angehalten, es konnte aber nichts gefunden werden. Es kommen täglich circa 200 volle Müllautos bei uns an. Das sind etwa 700 Tonnen Müll. Er wird vor der Verbrennung aber nicht weiter untersucht.“
Der Müll wird in der Anlage mittels eines Krans mit Greifkralle in die Verbrennung transportiert.
Teilweise passiert das mit Kranfahrern, teilweise aber auch automatisch. Die Greifzange könne laut der Sprecherin beispielsweise keine großen Geräte wie Waschmaschinen anheben, ein toter Körper könnte aber durchaus unbemerkt bleiben.
Dass der Mord überhaupt stattgefunden hat, belegt bisher einzig die Aussage des mutmaßlichen Täters. Nachdem die Polizei die Fahndung nach dem Mann begonnen hatte, wurde er am Samstag in einem Polizeianhaltezentrum gefunden. „Der Tatverdächtige war zuvor von Kollegen aufgegriffen worden, weil gegen in ein Aufenthaltsverbot in Österreich aufrecht ist“, sagt Polizeisprecher Paul Eidenberger.
Prozess schwierig
Als schwierig könnte sich die gerichtliche Aufarbeitung des mutmaßlichen Mords herausstellen. Ohne Leiche kann nicht so einfach Anklage wegen Mordes erhoben werden. Möglich ist ein Prozess aber trotzdem. Vor zehn Jahren gab es in Wien bereits so einen Fall: Ein 38-Jähriger hatte in der Leopoldstadt seine Freundin erstochen, sie zerstückelt und ebenfalls im Müll entsorgt. Im Zuge des Mordprozesses wurde er schließlich wegen Schizophrenie in eine Anstalt eingewiesen.
Kommentare