Zwei Jugendliche erleben ihre ersten "intimen Momente", wie Josef Pesserl, Präsident der Arbeiterkammer Steiermark, beschreibt. Filmen und fotografieren sich dabei - und nach der Trennung stellt er die Fotos in die Klassen-WhatsApp-Gruppe. "Man kann sich vorstellen, was da in dem jungen Mädchen vorgegangen ist", merkt Pesserl an.
Der Fall, zur Sprache gekommen in Workshops mit Jugendlichen über Mobbing und Gewalt, ist nur einer von vielen, wie die jüngste Studie dazu zeigt: 28,4 Prozent der steirischen Schülerinnen und Schüler gaben an, selbst von Mobbing betroffen zu sein, 16,6 Prozent von Cybermobbing, 11,7 Prozent von körperlicher Gewalt.
Die Zahlen sind gestiegen
2020 führte die AK bereits eine gleiche Studie durch, die Zahlen sind seither gestiegen: Damals fühlten sich 26,1 Prozent gemobbt, 12,1 Prozent waren von Cybermobbing betroffen, 11,1 Prozent von körperlicher Gewalt.
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Befragt wurden 800 Schülerinnen und Schüler ab der dritten Schulstufe. Abgefragt wurde auch, ob Schulkollegen unter Mobbing leiden würden und das aufgefallen wäre: 85,5 Prozent sagten ja.
Solche Erfahrungen haben Konsequenzen für das eigene Leben, in der Studie waren Mehrfachnennungen möglich:
- 61 Prozent der Mobbingopfer beschreibe sich als "gedemütigt und verletzt"
- 46,6 Prozent betonen, sie würden dadurch "wütend und aggressiv"
- 43,2 Prozent "ziehen sich zurück"
- 36,3 Prozent "verlieren die Lebensfreude"
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Für Studienautorin Claudia Brandstätter ist gerade der letzte Punkt, der "Verlust der Lebensfreude", alarmierend. Er ist seit 2020 um 20 Prozentpunkte gestiegen, die anderen Punkte wurden annähernd gleich häufig genannt oder sanken leicht. "Zehn Prozent sagen sogar, sie überlegen, sich etwas anzutun", schildert Brandstätter. "Jede Minute des Wartens, hier etwas gegen diese Situation zu tun, sind 60 Sekunden zu viel."
Hilfsbereitschaft ist gesunken
Ebenfalls auffallend: Die Courage, bei Mobbing oder Gewalt einzugreifen und zu helfen, ist gesunken. 2020 sagten noch 75,9 Prozent der Schülerinnen und Schüler, sie würden bei Mobbingfällen eingreifen, jetzt sind es nur noch 62,8 Prozent. Bei körperlicher Gewalt schritten 2020 93,4 Prozent ein, nun noch 86,3 Prozent.
Außerdem befürchten die Kinder und Jugendlichen, dass sich die Situation noch verschlimmern werde. Bei Cybermobbing etwa vermuten 48,3 Prozent eine Steigerung, bei Mobbing 23,5 Prozent.
Was führt zu Mobbing?
Welche Gründe vermuten die Befragten hinter den Übergriffen? Auch darauf hat die Studie eine Antwort:
- 52,3 Prozent sagen, es ginge um "cool sein vor Mitschülern"
- 42,3 Prozent vermuten "Aggression und Frustration" dahinter
- 32,3 Prozent sehen "Eifersucht und Neid" als Auslöser
- 30,8 Prozent vermuten "Langeweile"
- 30 Prozent sagen, man wolle "sich selbst und anderen etwas beweisen"
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"Wenn es in einer Gesellschaft cool ist, andere zu mobben, dann ist das ein extrem lauter Ruf", überlegt Studienautorin Brandstätter. "Der Schulalltag muss sich ändern." Zumal auch 45,7 Prozent der Befragten angaben, zu wissen, das Schulkollegen Drogen konsumieren würden.
Ruf nach Konsequenzen
AK-Präsident Pesserl zieht die Politik gefordert. Er fordert mehr Schulpsychologinnen und -psychologen sowie eine Adaptierung der Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen. "In jeder Klasse muss es einmal pro Woche zwei Stunden mit einem Schulpsycholgen geben", fordert Pesserl.
Derzeit ist der Schlüssel so: Auf 5.000 Schüler kommt ein Schulpsychologe.
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