Ein entsprechendes Ergebnis hat gravierende Auswirkungen auf die Betroffenen. Etwa bei ihrer Betreuung und ihrer Unterbringung. Oder aber auch beim Strafrahmen, sollten diese Personen verurteilt werden.
Eine große Rolle spielt das etwa im Fall Leonie. Das 13-jährige Mädchen soll von afghanischen Asylwerbern in Wien unter Drogen gesetzt und vergewaltigt worden sein. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt wegen Vergewaltigung mit Todesfolge.
Im Zuge der Ermittlungen wurden auch Gutachten zur Altersfeststellung in Auftrag gegeben. Und ein derartiges Gutachten ergab, dass ein Verdächtiger älter sein dürfte, als angegeben. Ali Seni H., laut eigenen Angaben 16 Jahre alt, ist laut Gutachten 19 oder 20 Jahre alt.
Zuletzt geriet der Fall wieder in die Schlagzeilen, weil jener Verdächtige, der sich nach London abgesetzt hatte, nun ausgeliefert wird. In den kommenden Wochen wird der 23-Jährige wieder in Wien sein und einvernommen werden.
Doch deutlich häufiger als in Strafverfahren kommen die Altersgutachten bei Asylverfahren ins Spiel. „Die Untersuchungsmethode stammt aus den 1920er-Jahren und wurde damals in den USA mit amerikanischen Jugendlichen als Basis entwickelt“, sagt Lisa Wolfsegger von der Asylkoordination. Sie hat starke Zweifel an der Aussagekraft des Handwurzelröntgens.
„Ein Mensch hat einfach keine Jahresringe, die man abzählen kann.“ Erst wenn diese Methode zum Schluss kommt, dass die Person älter als 16 Jahre alt ist, würden weitere Faktoren wie die Untersuchung des Schlüsselbeins, der Zähne und der Geschlechtsteile vorgenommen.
„Vorgelegte Dokumente werden oft als gefälscht angesehen. Was bei der Untersuchung nicht bedacht wird, sind Faktoren wie die Ernährung oder dass Jugendliche schon früh arbeiten mussten. Das wirkt sich auch körperlich aus“, so Wolfsegger. Nur wenige Mediziner in Österreich würden die Untersuchung überhaupt durchführen.
Ein Kritiker der angewandten Methode ist auch Ernst Berger, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie. „Die Testergebnisse haben durchaus eine große Schwankungsbreite von einem bis eineinhalb Jahren. Genauer kommt man einfach nicht hin“, sagt er.
Ein Umstand, auf den auch schon die Kindeswohlkommission unter der Leitung der ehemaligen OGH-Präsidentin Irmgard Griss hingewiesen hat.
"In Österreich ist das bisher gar kein Thema"
Was Berger bei der Untersuchung komplett fehlt, ist eine psychosoziale Altersbestimmung. „In anderen Ländern wird dies schon angewendet“, erklärt er. „Genauere Untersuchungen entsprechen dem realen Bedarf der betroffenen Person und ihrem tatsächlichen Entwicklungsstand.“ In Österreich ist das bisher aber gar kein Thema.
Der Großteil der Personen, die im Vorjahr bei der Altersfeststellung falsche Angaben gemacht haben sollen, stammt aus Somalia, gefolgt von Afghanistan und Syrien.Im Jahr davor wurden 1.370 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gezählt, 57 davon waren weiblich. Sie stammten zumeist aus Afghanistan, Syrien und Bangladesch. Bei 133 durchgeführten Altersfeststellungen wurde in 56 Fällen eine Volljährigkeit festgestellt.
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