Missbrauch: Ein Urteil, das die Kirche zittern lässt

Missbrauch: Ein Urteil, das die Kirche zittern lässt
Im Fall eines 51-jährigen Wieners, der als Kind von einem Pfarrer missbraucht wurde, hat der Oberste Gerichtshof die Verjährung gekippt. Eine bahnbrechende Entscheidung.

Mehr als zehn Jahre dauerte das Martyrium eines heute 51-Jährigen. Als Kind und Jugendlicher wurde er von einem katholischen Geistlichen in der Pfarre Heiliges Kreuz in Wien, die seine Familie regelmäßig besuchte, sexuell missbraucht. Der Mann will anonym bleiben, für dieses Interview hat er sich den Namen Franz Schubert ausgesucht.

2010 wandte sich Schubert an die Klasnic-Kommission, drei Jahre später bekam er 150 Therapiestunden und 35.000 Euro zugesprochen und gilt somit als anerkanntes Opfer. Doch er ging trotzdem vor Gericht. Damit ist er das einzige Missbrauchsopfer in der Erzdiözese Wien, das entschädigt wurde und danach zivilrechtlich auf Schadenersatz klagte.

Seit acht Jahren prozessiert Schubert nun. Anfang des Jahres die unerwartete Wendung: Der OGH hat die Klage – entgegen dem Erstgericht – nicht als verjährt anerkannt. Die Klage gegen den Täter, der mittlerweile tot ist, zwar schon. Aber nicht jene gegen den Dienstgeber, also die Erzdiözese Wien. Juristen und Opfervertreter meinen, Dienstgeber könnten künftig leichter verklagt werden. Die Erzdiözese Wien hingegen sieht einen Einzelfall, der keine Wirkung auf andere Fälle haben werde. Im KURIER spricht der Wiener erstmals über seinen Leidensweg, den Kampf vor Gericht und den Reflex der Vertuschung.

KURIER: Warum haben Sie sich dazu entschieden, vor Gericht zu gehen?

Schubert: Ursprünglich hat mir die Klasnic-Kommission unbefristete Therapiestunden in Aussicht gestellt. Doch stattdessen waren es nur 150 Stunden – abzüglich jener, die ich bis dahin bereits absolviert hatte. Es wäre also nichts übrig geblieben. Ich suchte mir einen Anwalt, und er sagte zu mir: Manchmal ist es nicht so wichtig, zu gewinnen, sondern aufzuzeigen.

Haben Sie diesen Schritt jemals bereut?

Ja. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie schwer es für mich ist. Es gibt fast nur Tiefs und keine Hochs.

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