Mikroplastik: Eine große Gefahr für Mensch und Tier
Man findet es in der Tiefsee und auf Gletschern, in der Arktis, in Pflanzen und Tieren. Mikroplastik ist überall – auch im Menschen. Pro Woche verzehren wir fünf Gramm davon, wir essen es, atmen es ein. Man findet es im Stuhl und im Blut. Es schwebt als Synthetikfasern in der Luft. „Vermutlich schwimmt schon Mikroplastik aus der Luft in Ihrem Wasserglas“, sagt Helene Walch, Expertin für Schadstoffe und Mikroplastik beim Umweltbundesamt.
Welche Auswirkungen es auf den Organismus, auf Flora und Fauna hat, ist noch nicht abschließend geklärt. Doch, was man weiß: Es ist nicht gut.
Einmal ausgetragen, „bleiben die Teilchen lange in der Umwelt“, warnt Walch. Die Forscher des Umweltbundesamtes sind den Partikeln seit Jahren auf der Spur, versuchen die Datenlage zu verbessern, standardisierte Messmethoden und Probeentnahmeverfahren zu entwickeln. „Ein Problem ist, dass die Teilchen in der Umwelt auch ein Depot für andere Stoffe sein können, die freigesetzt werden“, erklärt Walch.
Und: Die Anzahl der Teilchen steigt exponentiell, weil sie weiter zerfallen. Auch aus weggeworfenen Plastikmüll entsteht Mikroplastik. „Je kleiner die Teilchen, desto leichter werden sie aufgenommen.“
Plastik als Dünger
Bereits 2015 haben die Wissenschafter des Umweltbundesamtes und der Boku die Donau auf Mikroplastik untersucht. Bei Hainburg, so ergab die Studie, können pro Jahr bis zu 41 Tonnen Mikroplastik festgestellt werden.
Doch nicht nur im Wasser tauchen die Teilchen auf. Das Umweltbundesamt hat auch Klärschlämme untersucht, da diese als Dünger in der Landwirtschaft auf den Feldern landen. „Wir haben viel Polyurethan gefunden. Das ist im klassischen PU-Schaum enthalten, aber auch in Lacken und Anstrichen“, sagt Walch. Zudem in Sportbekleidung oder Abwaschschwämmen.
Als Reaktion darauf soll künftig durch Mikroplastik stark belasteter Klärschlamm verbrannt werden, eine entsprechende Abfallverbrennungsverordnung wurde vom Umweltministerium in Begutachtung geschickt. Überhaupt will die Regierung mit einem „Aktionsplan Mikroplastik“ die Datenlage stärken, sowie Maßnahmen setzen und Bewusstsein bilden. Denn dass Handlungsbedarf besteht, ist der Politik bewusst.
Mittlerweile haben Forscher erste Hinweise gefunden, dass Mikroplastik Auswirkungen auf Wildtiere haben könnte. Weil die Feldhasenpopulation seit den 60er-Jahren rückläufig ist, wurden vom Umweltbundesamt im Rahmen einer Pilotstudie mit der Vetmeduni Innsbruck vier Freilandhasen und zwei Laborhasen untersucht, in allen fand sich Mikroplastik. „Ein Hase hatte aber Polyethylenpartikel im Lymphknoten im Darm. „Das ist ein Indiz, dass es zu Mikroplastikeinträgen kommen kann. Nicht nur im Magen oder Darm, sondern auch ins Gewebe“, so Walch.
Reifenabrieb
Eines der gravierendsten Probleme ist aber der Reifenabrieb. Rund 20.000 Tonnen gelangen pro Jahr in die Umwelt. Stoffe wie Antioxidationsmittel könnten für heimische Fische gefährlich sein. Hier stehe man bei der Forschung noch am Anfang. „Wir entwickeln gerade Methoden, um den Abrieb zu analysieren“, sagt Walch. Neben dem Klimawandel gebe es also weitere Gründe, das Auto stehen zu lassen. Maßnahmen, wie sich der Abrieb reduzieren lässt, werden geprüft.
Immerhin wurden kürzlich in Österreich und auf EU-Ebene Maßnahmen zur Plastikreduktion gesetzt, demnächst soll der Mikroplastikanteil in Produkten reguliert werden. Es werde aber einen gesellschaftlichen Wandel geben müssen, so Walch.
Studie: Mikroplastik löst Entzündungen aus
Spielt Mikroplastik bei der Entstehung von Dickdarmkarzinomen beim Menschen eine Rolle? Das hält zumindest Pathologe Lukas Kenner von der MedUni Wien nicht für ausgeschlossen. Immerhin werden 90 Prozent der Plastikpartikel oral aufgenommen. „Die Keimflora im Darm kann durch Mikroplastik verändert werden“, sagt er. Man wisse aus Untersuchungen von Versuchstieren, dass Entzündungen entstehen. Und Entzündungen können das Tumorwachstum begünstigen. Es gebe mehr Makrophagen, je mehr Mikroplastik festgestellt werde.
Kenner ist wissenschaftlicher Leiter des Projekts microOne. Bis 2025 soll mit seinem Kollegen und Chemiker Wolfgang Wadsak erstmals erforscht werden, was das Mikroplastik im menschlichen Darm anrichtet.
Zum einen wird Mäusen Mikroplastik verabreicht, um zu sehen, wie es sich im Körper verteilt und wo es sich ablagert; zum anderen werden die Partikel in Zellkulturschalen eingebracht und ihre Wechselwirkung mit Tumorzellen analysiert. Darüber hinaus können die Forscher Tumorproben von Patienten untersuchen. „Wir wollen herausfinden, welche Mikroplastikpartikel in Tumoren vorhanden sind und ob diese Partikel die Prognose beeinflussen können.“
Zahlen und Fakten
400 Millionen Tonnen Plastik werden pro Jahr weltweit produziert. Schätzungen zufolge landen zwei bis fünf Prozent davon im Meer
20.000 Tonnen Reifenabrieb gelangen hierzulande pro Jahr in die Umwelt. Inhaltsstoffe davon sind in den USA die Hauptursache für das Massensterben
von Silberlachsen. Auch heimische Fische könnten betroffen sein
Fünf Gramm Mikroplastik verzehrt ein Mensch pro Woche
7-160 Kilogramm Plastik fließen täglich die Donau hinunter. Sechs bis 66 Kilogramm davon sind Mikroplastikteilchen
2,9 Milliarden Zigarettenstummel werden pro Jahr weggeworfen
50-258 Milligramm Mikroplastik pro Kilogramm Textil verlieren Sportshirts beim Waschen. 40 bis 120 Milligramm pro Kilo Polyester sind es beim Waschen der Kunstfaserblusen
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