Olivenkerne in der Prater-Dampflok: Zug in die Zukunft
Operation gelungen, Patientin dampft, pfeift und fährt.
Es war eine historische Fahrt, die am Samstag um 12.15 Uhr am Hauptbahnhof der Liliputbahn im Prater startete: die erste einer Dampflokomotive, die mit Olivenkernen betrieben wird.
Genauer gesagt mit Kohle, die zur Hälfte aus zerkleinerten Olivenkernen und zur anderen Hälfte aus Abfällen aus der Kohleproduktion besteht. Letzteres „vor allem, um die Farbe und das Gefühl der Kohle weiter zu haben“, sagt Betriebsleiter Roland Durstmüller und dreht zufrieden eines der Kohlestücke in der Hand.
Testfahrt der Liliputbahn mit Olivenkohle
Eine Innovation, die aus der Not geboren wurde: Nachdem der Lieferant der bisher verwendeten, rußarmen Kohle die Lieferung an Kleinabnehmer einstellte, musste der Betrieb der beiden Dampfloks im August eingestellt werden. Zum Glück ist Durstmüller aber international vernetzt und wusste so von einem Hersteller in Großbritannien, der mit der Olivenkohle experimentierte. Als dieser dann vor einigen Wochen grünes Licht für die Verwendung in Dampfkesseln gab, war klar: „Das wollen wir jetzt auch testen.“
Herantasten
Im Vorfeld war die Zuversicht zwar groß, der Erfolg jedoch nicht garantiert. „Eine Dampfmaschine ist sehr komplex“, sagt Durstmüller. So kommt es neben dem Brennmaterial auch auf die richtige Feuerungstechnik an. Also darauf, wann man wohin genau wie viel schaufelt. Genau das erwies sich am Samstag auch als Herausforderung, brannte die neue Kohle doch etwas heißer und schneller als erwartet.
Spätestens, sobald sich die Lokführer an die neue Kohle gewöhnt haben, sollte einem reibungslosen Betrieb aber nichts mehr im Weg stehen. „Das Schöne ist, dass es eine Innovation ist, die es uns gestattet, diese Tradition weiterleben zu lassen“, sagt Geschäftsführerin Anna Kleindienst.
Und sie zugleich zukunftsfit macht. „Weil wir versuchen, den Betrieb in jeder Hinsicht immer umweltfreundlicher zu machen. Und insofern ist das natürlich ein unglaublicher Gewinn.“
Die Olivenkohle verursacht weniger Rauch, weniger Geruch und vor allem bis zu 40 Prozent weniger CO2-Emissionen – und das bei gleichem Preis und sogar einem etwas höheren Brennwert. Immerhin acht Tonnen Kohle verfeuern die beiden je mehr als sieben Tonnen schweren, 30 PS starken und 30 km/h schnellen Dampfloks zusammengerechnet pro Saison.
Batterie statt Diesel
Die Olivenkohle ist jedoch nicht die einzige Investition in die Zukunft, an der das Team arbeitet. Über kurz oder lang sollen batteriebetriebene Lokomotiven die Dieselloks ersetzen, die den Betrieb unter der Woche bestreiten und die Diesel-Oldtimer nur noch am Wochenende fahren – wie heute bereits die beiden Dampflokomotiven. Ein Prototyp befindet sich bereits in der Entwicklung, die nur durch Corona ein wenig zurückgeworfen wurde.
Das Experimentieren mit Zukunftstechnologien hat bei der Liliputbahn mittlerweile schon Tradition. Für Aufsehen sorgte etwa im Frühjahr 2018 „Hydrolilly“, die erste Wasserstoff-Versuchslok Österreichs – damals ein Vorfeldtest in Zusammenarbeit mit den ÖBB.
Vorläufer
Im 19. Jahrhundert wurden Fahrgäste bereits mit einer Pferdetramway, dann mit einer elektrischen Kleinbahn und zuletzt mit einer Petroleumbahn auf unterschiedlichen Routen durch den Prater kutschiert.
Errichtung
Geplant und errichtet wurde die Liliputbahn anlässlich des Sängerbundtreffens zum 100. Todestag Franz Schuberts 1928. Eröffnet wurde sie am 1. Mai.
3,9 Kilometer lang
ist der Rundkurs, der vom Prater-Hauptbahnhof in der Nähe des Riesenrads bis zum Ernst-Happel-Stadion und zurück führt. Eine Runde dauert 20 Minuten, die Einzelfahrt kostet 5 Euro.
Wie es dazu kam?
„Es wurde wohl wahrgenommen, dass sich bei uns innovativ etwas tut“, sagt Durstmüller. „Und dann war es naheliegend, bei uns zu testen. Weil es hier einfacher geht als draußen auf der großen Bahn.“
Vier Jahre später folgte nun also die nächste große Premiere auf der kleinen Spur – und wohl nicht die letzte. „Wir stehen nie still“, sagt Co-Geschäftsführer Ivan Baran.
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