Vom Prater ins Wien Museum: Eine historische Walrettung
Der legendäre Praterwal findet nach langer Zeit einen würdigen Platz als Ausstellungsstück.
19.07.22, 21:48
Bereits in den 50er-Jahren hat der Praterwal Kinder zum Strahlen gebracht – und nicht nur sie. Im Jahr 2013 hätte damit Schluss sein sollen. Der Auftrag, den Wal zu schreddern, wurde erteilt.
Einer langen Reihe an glücklichen Zufällen und Güner Ayaz ist es zu verdanken, dass er bald im Wien Museum wieder für strahlende Augen sorgen wird. „Für mich ist das ein emotionaler Moment“, sagt Ayaz, er hat den Praterwal damals gerettet. Das zehn Meter lange Abbild des Meeresbewohners schmückte lange das „Gasthaus zum Walfisch“, eines der ältesten Gasthäuser im Wiener Prater. Dort entzückte er seit 1945 die Besucher nicht nur mit seiner Größe – nachts leuchteten seine Augen blau und, wie ein echter Wal, sorgte er für Wasserfontänen.
2013 wurde das historische Gasthaus dann abgerissen, den Wal brauchte niemand mehr, er sollte recycelt werden.
Wertvolles Kunstwerk
Doch dank des führenden Abrissleiters der Baufirma – Güner Ayaz – wurde der Wal damals gerettet. „Er hat mir gefallen und ich fand es schade, ihn zu entsorgen. Dabei wusste ich gar nichts von seiner Geschichte, es war ein glücklicher Zufall“, lacht er. Gelagert wurde das wertvolle Kunstwerk daraufhin jahrelang auf dem Grundstück der Baufirma. Alleine die Konstruktion aus Holz und Kupfer hat einen Wert von rund 12.000 Euro, dazu kommt noch die historische Komponente.
„Immer wieder habe ich Kaufangebote bekommen, Schaulustige haben vor dem Wal für Fotos posiert. Doch ich wollte ihn nicht weggeben.“ Bis sich das Wien Museum bei ihm meldete – und den Wal als Geschenk mitnehmen durfte.
Schwierige Restauration
Doch Wind, Temperatur und Witterung haben dem Praterwal über die Jahre zugesetzt. So wurde er ins Restaurationszentrum des Wien Museums in Himberg transportiert und dort mehrere Jahre von zahlreichen Experten bearbeitet.
Laut Regula Künzli, der Leiterin der Objektbetreuung, war dieses Projekt eines der kompliziertesten ihrer Karriere. „Die Oberfläche musste von schädigenden Elementen befreit werden, ohne sie zu beschädigen.“ Und auch der aus einer Holzkonstruktion bestehende Innenraum musste konserviert und stabilisiert werden. Als der Wal dann wieder in altem Glanz erstrahlte, folgte die nächste Herausforderung: Der Transport des Giganten zurück nach Wien.
„Wir sind sogar die Strecke vorher abgefahren, damit kein Missgeschick passiert“, meint Güner Ayaz, der nach wie vor jeden Schritt „seines Babys“, wie er es nennt, begleitet. Mit einem Kran wurde der Wal am Dienstag aus schwindelerregender Höhe ins Museum gehoben.
Schaulustige fotografierten den „fliegenden Wal“ und fieberten mit, während die Bauarbeiter nicht nur ob der Temperaturen schwitzten. Unzählige Mitarbeiter des Transport-, des Restaurationsteams und des Museums wachten gespannt über die Platzierung – vieles konnte schiefgehen.
Noch eine Baustelle
Obwohl das Museum noch eine Baustelle ist, wird der in Folie gut verpackte Wal jetzt schon im zukünftigen Hauptsaal aufgehängt, um dort über den Köpfen der Besucher zu schweben. „Die anderen rund 2.000 Ausstellungsstücke kommen erst nach Fertigstellung ins Museum, doch der Wal ist einfach zu groß dafür. Wir müssen drumherum bauen“, sagt Regula Künzli.
Auf KURIER-Nachfrage, was passiere, wenn der Wal wieder raus muss, antwortete sie: „Es gibt eine Wand, die man herausnehmen kann.“
Der Praterwal zierte ab 1945 das „Gasthaus zum Walfisch“ im Wiener Prater.
Mit einer Länge von fast 10 Metern, einer Breite von rund 2,5 Metern und einem Gewicht von ca. 1.300 kg wird der Praterwal das größte und schwerste Ausstellungsstück im Wien Museum sein.
2.000Ausstellungsstücke sollen ab Ende 2023 – wenn das Wien Museum am Karlsplatz neu eröffnet – Teil der Ausstellung über die Geschichte der Stadt sein. Seit 2020 ist das Wien Museum eine Großbaustelle. Im Vor-Corona-Jahr 2019 gab es 6.933.776 Besucher im Wien Museum.
Fertiggestellt werden soll das Museum Ende 2023. Der Praterwal wird neben vielen anderen Kunstwerken Teil einer Dauerausstellung über die Geschichte Wiens sein.
Entworfen wurde der Praterwal 1945 von Maria Benke, einer jungen Absolventin der damaligen Akademie für Angewandte Kunst. Wer den Wal tatsächlich gebaut hat, bleibt jedoch ein Geheimnis. „Ich schätze es sehr, dass in Österreich so sehr wert auf Kunst gelegt wird“, meint Güner Ayaz. „Mein Wal hat im Museum seinen Bestimmungsort gefunden und ich werde ihn als Erster besuchen.“
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