Messerattacke trotz Polizisten vor der Tür

Anwältin Karin Prutsch (re.) vertritt Lydia K.
Ex-Freund stach Grazerin nieder. Anwältin zeigt Verdacht der unterlassenen Hilfeleistung an.

"Das hast jetzt davon, hat er zu mir gesagt. Jetzt bring ich dich um." Lydia K., 26, bekam 13 Messerstiche ab: Einer ging in die Lunge, einer zerstückelte eine Niere. Der mutmaßliche Täter, ihr Ex-Freund, ist in U-Haft. Doch Lydia glaubt, es hätte gar nicht so weit kommen müssen: Als der 36-Jährige in ihre Wohnung stürmte, sie packte und niederstach, waren nämlich auch Polizisten anwesend – zwei Beamte und eine Polizeischülerin.

Rückblende auf 16. Jänner: Die Grazerin beobachtete ihren arbeitslosen Ex-Freund vom Fenster ihrer Wohnung aus. Er machte sich an ihrem Auto zu schaffen. Sie rief bei der Polizei an: Zwei Tage zuvor wurde gegen den Mann ein Betretungsverbot ausgesprochen. Da soll er versucht haben, Lydias Wohnungstür einzutreten. "Ich hab’ gedacht, er will mir etwas antun." Schon 2015 gab es ein solches Verbot gegen dem Mann, nachdem er die Frau niedergeschlagen hatte. "Er war auf alles und jeden eifersüchtig. Richtig wahnhaft", sagt das mutmaßliche Opfer.

Zehn Minuten später waren die Beamten vor der Wohnung. Lydia sah sie durch den Türspion: "Ich war total erleichtert und hab’ aufgemacht."

Was die Mutter eines dreijährigen Buben von ihrem Blickwinkel aus nicht sehen konnte: Der 36-Jährige lauerte in einer Ecke des Stiegenhauses. Er trat vor, als sie die Türe öffnete. "Ich hab’ geschrien, das ist er", schildert Lydia. Gemeinsam mit einer in der Wohnung anwesenden Freundin versuchte sie vergeblich, die Tür zuzudrücken. Der 36-Jährige zückte noch im Stiegenhaus sein Klappmesser, folgte Lydia in die Küche und stach sie nieder. Den letzten Hieb konnte sie abwehren, das Messer steckte bis zur Einlieferung ins Spital in ihrer Hand.

Nicht gestoppt

Letztlich waren es zwei Beamte einer zusätzlich alarmierten Sektorstreife, die den Angreifer festnahmen. Lydia und ihre Anwältin Karin Prutsch kreiden der ersten Streife an, dass sie den Verdächtigen nicht rechtzeitig gestoppt hätten. "Es gab ein aufrechtes Betretungsverbot. Das gilt auch im Stiegenhaus", betont Prutsch. Die Beamten hätten den Mann im Stiegenhaus gesehen und erheben müssen, um wen es sich handle.

Den zweiten Fehler ortet sie in dem Moment, als der Mann zum Messer griff: "Da sind die Polizisten zurückgewichen. Aus Selbstschutz", kritisiert Prutsch und fragt sich, warum nicht Pfefferspray eingesetzt wurde.

Lydia K. und Prutsch gehen jetzt auf zwei rechtlichen Ebenen vor: Die Anwältin zeigte die Beamten wegen des Verdachts der unterlassenen Hilfeleistung an. Das ist ein strafrechtliches Delikt, die Staatsanwaltschaft Graz ist zuständig. Zivilrechtlich fordert sie 25.000 Euro Schmerzengeld für ihre Mandantin. Da es sich um Polizisten im Dienst handelt, richtet sich dies im Zuge der Amtshaftung gegen die Republik Österreich.

Polizei zweifelt

Die steirische Landespolizeidirektion gibt zu dem Fall nur einen vagen Kommentar ab. Die Einvernahmen von mutmaßlichem Täter, Opfer und Zeugen liefen noch, der Bericht liege bei der Justiz. Deshalb sei keine abschließende Stellungnahme möglich. Aber Skepsis an Lydias Darstellung lässt Polizeisprecher Joachim Huber schon durchblicken: "Die über die Medien erhobenen Vorwürfe sind aufgrund der uns vorliegenden Informationen in keiner Weise nachvollziehbar. Wir verwehren uns gegen eine solche Art der Vorverurteilung."

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