"Menschen wissen nicht, ob sie Bettlern Geld geben sollen"

Klaus Schwertner hält nichts von Wertmarken für Bettler.
Klaus Schwertner, Geschäftsführer der Caritas, über Armut und Kriminalisierung der Bettler.

KURIER: Wie der KURIER berichtete, können sich 65.000 Menschen in Österreich ihre Lebensmittel nicht mehr leisten. Wie kann man diese Situation verändern?

Klaus Schwertner: Viele Menschen schämen sich für ihre Situation und suchen erst dann Hilfe auf, wenn der Rucksack an Problemen schon sehr groß ist. Deshalb braucht es neben unmittelbarer Hilfe wie unseren "Le+O"-Lebensmittelmärkten auch Beratungen. Und eine konkrete Forderung lautet: Leistbarer Wohnraum. Für viele Menschen stellen die Wohnkosten einen erheblichen Anteil des Einkommens dar. Das sollte nicht so sein.

Bleiben wir beim Thema Armut. Ein sogenanntes "Massenlager" in der Neulerchenfelder Straße hat kürzlich für Diskussionen gesorgt. Sie haben in diesem Zusammenhang von "Kriminalisierung der Bettler" gesprochen.

Ich kritisiere nicht die Berichterstattung, sondern die Art, wie die Diskussion geführt wird. Mittlerweile werden sogar Privatdetektive angeheuert, um Bettler zu bespitzeln. Die österreichische Bevölkerung ist verunsichert. Die Menschen sind sich nicht mehr sicher, ob sie Bettlern noch Geld geben sollen.

Weil es in die Hände reicher Hintermänner fallen könnte.

Diese Hintermänner, von denen dauernd die Rede ist, verfestigen nur das Bild des kriminellen Bettlers. Das hilft niemandem. Wenn es solche Hintermänner gibt, dann sollen die Polizei und die Gerichte ihre Aufgabe wahrnehmen und diese Menschen verurteilen.

Viele Städte verschärfen wegen dieser Hintermänner Gesetze gegen gewerbsmäßiges Betteln. Ist das richtig?

Nein. Diese Verbote schaden vor allem den Bettlern, die sich aus ihrer Notlage heraus mit anderen zusammenschließen. Und ich weiß aus Gesprächen mit der Polizei, dass selbst sie nicht glücklich über diese Gesetze ist, weil sie nicht wirklich zu vollziehen sind.

Soll man Bettlern Geld geben?

Das ist eine Entscheidung, die jeder für sich treffen muss. Dem Bettler, der vor meinem Supermarkt steht, gebe ich hin und wieder Geld. Ich rede mit ihm; meine Kinder kennen ihn; manchmal kaufe ich ihm etwas zu essen. Aber manchmal gebe ich ihm auch nichts.

Ein Beamter des Bundeskriminalamts machte den Vorschlag, Wertmarken statt Münzen an Bettler zu verteilen.

Ich kann ihm nicht absprechen, dass er das gut gemeint hat. Aber diese Überbürokratisierung von Hilfe kann niemand wollen.

Wie kann man Bettlern dann helfen?

Dafür ist eine Reihe an Maßnahmen notwendig. Der Großteil der Bettler kommt aus dem osteuropäischen Raum. Man muss zum einen in den Herkunftsländern ansetzen. Aber es braucht auch Unterstützung bei uns, wie die Beratungsstelle in der Zweiten Gruft.

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