Warum Meidling das neuen Machtzentrum Wiens ist

VIER SCHWERVERLETZTE BEI SCHLÄGEREI IN WIEN-MEIDLING
Von fünf Landesparteisekretären der im Gemeinderat vertretenen Parteien stammen vier aus dem 12. Bezirk. Warum ist es dort politisch so spannend?

Ein Bezirk hat zuletzt verstärkt mediale Aufmerksamkeit gelangt: Meidling. Die geplante Verbauung des Khleslplatzes rund um die Biedermeierkirche St. Oswald sorgte für reichlich Kritik, insbesondere FPÖ und ÖVP machten dagegen mobil. Die Blauen bringen auch immer wieder das Kabelwerk ins Spiel, wo die Bewohner Angst vor Jugendbanden haben sollen. Und die Neos haben kürzlich ein Konzept für den Totalumbau des Bahnhofs Meidling vorgestellt, der KURIER berichtete.

Der neue Fokus auf den 12. Bezirk liegt aber nicht nur daran, dass die dort vorherrschenden Themen Stadtentwicklung, Kriminalität und Öffis per se spannend sind, sondern auch am Machtgefüge innerhalb der Parteien. 

Vier von fünf Landesparteisekretären (oder Landesgeschäftsführern, wie sie teilweise auch genannt werden) stammen aus Meidling, konkret Jörg Neumayer (SPÖ), Lukas Brucker (FPÖ), Philipp Kern (Neos) und Lorenz Mayer (ÖVP). Lediglich Christian Tesar von den Grünen hat seine politischen Wurzeln in Rudolfsheim-Fünfhaus.

Wien in Miniatur

„Mit seiner hohen sozialen Durchmischung ist Meidling ein kleines Abbild von Wien. Wer hier Politik macht, gestaltet Wien im Kleinen“, erklärt Neumayer, warum Meidling aus seiner Sicht politisch so spannend ist. 

Darin sind sich alle Parteien einig – alle sprechen von einem „Wien in Miniatur“ oder einem „repräsentativen Querschnitt“. Das liege an der Mischung, wie Brucker sagt: „Wir haben im Bezirk traditionelle Arbeitergrätzel, Gemeindebauten, Stadtentwicklungsgebiete, aber auch historische, fast schon dörflich wirkende Ortskerne“.

Platzhirsch SPÖ

Dass Meidling ein Abbild Wiens ist, spiegelt sich darum auch in den Wahlergebnissen wider – jenes auf Bezirksebene ist jenem auf Gemeinderatsebene recht ähnlich (siehe Grafik).

Eine Balkengrafik mit dem Wahlergebnis in Meidling. Die SPÖ ist auf Platz 1.

Die Ergebnisse auf Gemeinderatsebene und Bezirksebene sind ähnlich.

Die Roten haben auf Stadtebene mit 42,2 Prozent in Meidling besser abgeschnitten als durchschnittlich in Wien (39,4 Prozent). Dementsprechend gelassen gibt sich Neumayer hinsichtlich der offenkundigen Bemühungen der Konkurrenz. „Wir richten unsere Politik an den Wienerinnen und Wienern und nicht an anderen Parteien aus“, sagt er. Man setze auf Maßnahmen, die das Leben der Menschen konkret verbessern. 

Als Beispiele nennt er die Sanierung des Meidlinger Marktes, „im Rahmen derer es uns gemeinsam gelungen ist, einen Ort der Gemeinsamkeit und des Miteinanders zu schaffen“. Im neuen Stadtteil Wolfganggasse hätte man leistbares Wohnen und Lebensqualität vereint und bei der Neugestaltung des Christine-Busta-Parks beziehe man die Meidlingerinnen und Meidlinger aktiv mit ein. Bezirksvorsteher Wilfried Zankl gilt zudem als umtriebig und bürgernah.

FPÖ in Angfriffslaune

Bei der FPÖ, das ist offensichtlich, will man der SPÖ aber nicht das Feld überlassen. Unter Politikern anderer Parteien ist des Öfteren zu hören, dass die Blauen, nachdem sie sich bei der vergangenen Wahl fast verdreifacht haben, ihr klassisches Kampfgebiet, bis dato Simmering und Floridsdorf, nun wohl erweitern würden. 

„Ich habe bei der Wien-Wahl ein Grundmandat aus Meidling für den Landtag und Gemeinderat erreicht, daher ist es für mich selbstverständlich und auch eine Verpflichtung, mich besonders um diesen Bezirk und die Anliegen der Meidlingerinnen und Meidlinger zu kümmern“, sagt Brucker.

Durch die Menschen in Meidling und die Bezirksfunktionäre würde er immer wieder auf Missstände hingewiesen. Etwa auf besagte Situation im Kabelwerk. „Zahlreiche Anrainer wenden sich verzweifelt an uns, weil sie das Gefühl haben, im Stich gelassen zu werden. Dort kommt es immer wieder zu Problemen mit ausländischen gewaltbereiten Jugendbanden“, so Brucker. Er wolle die SPÖ-Verantwortlichen in der Bezirksvorstehung und im Rathaus endlich wachzurütteln, denn „wenn man dranbleibt und den Finger auf die Wunde legt, kann man auch in Opposition einiges bewegen.“

Aktive Bürger

Dass sich im 12. Bezirk die Bewohnerinnen und Bewohner stark einbringen, sieht man auch bei der ÖVP so. „Der aktuelle Fall rund um die Verbauung des Khleslplatzes hat deutlich gemacht, dass Meidling politisch ein heißes Pflaster ist – mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die sich nicht alles von der SPÖ-Neos-Stadtregierung gefallen lassen“, meint Mayer. „Diese aktiven Bewohnerinnen und Bewohner prägen den Bezirk und machen ihn zu einem wichtigen politischen Gradmesser für Wien insgesamt.“ Für sie wolle man ein Sprachrohr sein.

„Mir war nicht bewusst, dass Meidling das neue Machtzentrum ist“, sagt Kern. „Aber in diesem Sinne: If you can make it there, you can make it anywhere!“ (Deutsch: Wenn man es dort schafft, schafft man es überall).

In den kommenden fünf Jahren werden wohl alle versuchen, es zu schaffen – also die Bürgerinnen und Bürger von sich zu überzeugen. Das Machtzentrum Meidling bleibt also umkämpft.

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