Und er ist nicht der Einzige. Wien hat sich in den vergangenen Jahren als gutes Pflaster für Bäckereien erwiesen. Während in Gesamtösterreich die Zahl der Betriebe zwischen 2011 und 2022 von 1.638 auf 1.399 gesunken ist, ist die Zahl in Wien nicht nur stabil geblieben, sondern sogar leicht gewachsen. Gab es im Jahr 2010 noch 142 Bäckereien, waren es 2022 schon 154.
Keine Nachtschicht
Gründe für den Unterschied zwischen Wien und dem Rest Österreichs gebe es mehrere, sagt Josef Schrott, Innungsmeister der österreichischen Bäcker. Die Bevölkerung in der Stadt sei im Wachstum, das biete Potenziale. „Hinzu kommt der Aspekt, dass Wien als moderne Weltstadt auch eine wachsende Zahl von Bäckerinnen und Bäckern hat, die Brot- und Backtraditionen aus anderen Ländern mitbringen“, sagt Schrott. Die Entwicklung neuer Stadtgebiete locke außerdem neue Nahversorger. So wie es Paul Thomann einer sein will.
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„Das Rad kann man beim Brot nicht neu erfinden, aber ich möchte das Konzept Bäckerei neu denken“, sagt er. Aufsperren will er seinen Laden deshalb erst am Nachmittag. In der Nacht arbeiten kommt für ihn nicht infrage: „Das geht zu Lasten von allem anderen.“ Stattdessen will Thomann am Vormittag die Teige vorbereiten und am Tag darauf backen. Er bäckt also täglich den Teig vom Vortag. Durch die Langzeitführung, wie es im Fachjargon heißt, bekommen die Teige genügend Zeit zum Gehen.
Langzeitführungen
Das hat nicht nur den Vorteil, dass nicht in der Nacht gearbeitet werden muss, sondern auch, dass die Brote leichter verträglich sind und nicht so schnell hart werden. Den Fokus legt Thomann auf Sauerteigbrote. Aus Roggen, Dinkel und Weizen. „Die Standardbrote als Aushängeschilder sozusagen.“
Der Trend zurück zum Brot vom Handwerksbäcker hat in Wien schon in den vergangenen Jahren begonnen. Und geht auch jetzt – trotz Teuerung und anderen Krisen – weiter. „Der Konsument ist bereit und unsere jungen Kollegen sind es auch“, sagt der Innungsmeister der Wiener Bäcker Josef Angelmayer.
Vordergründig stehe dabei der Gedanke der gesunden Ernährung. „Heute geht es viel um Allergien und Unverträglichkeiten. Der kleine Betrieb kann sich dem annehmen, da zahlt sich das aus.“ Gleichzeitig bedeute das aber einen höheren Preis für die Kunden. Einen Preis, den sich nicht jeder leisten kann oder möchte. Größere Betriebe und Industriebäcker seien deshalb nicht wegzudenken: „Jeder hat seine Berechtigung und seinen Kundenkreis.“
Schattenseiten
Mit Problemen haben aber auch die Bäckereien in Wien zu kämpfen. Der Fachkräftemangel und die ungeregelte Betriebsnachfolge sind nur einige davon. „Das massivste Problem ist aber der Kostendruck“, sagt Angelmayer. Die Energiekosten, die Mieten, das Personal, die Rohpreise für das Getreide: alles steige. „Und die Kaufkraft der Leute sinkt, sie sparen.“
Die Probleme kennt auch Paul Thomann. „Es spricht bestimmt einiges gegen eine Bäckereieröffnung. Aber ich sehe, dass die Leute meine Brote nachfragen.“ Schon bald wird der Quereinsteiger also eine genaue Ahnung von Bäckerei bekommen.
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