Lockdown schrieb Kriminalgeschichte: Ganzer Tag ohne Einbrüche

Einbrüche gingen 2020 zurück, doch die Kellereinbrüche stiegen.
Wie Corona und der Krieg in der Ukraine die Kriminalität verändern und wie sich die Polizei dafür rüstet.

Das hat die eingefleischten Kriminalstatistiker überrascht: Im Mai 2020 hat es einen ganzen Tag gegeben, an dem es in Österreich keinen einzigen Einbruch gab. Das ist vorher und nachher nie vorgekommen. Aber die aktuelle Entwicklung in Sachen Kriminalität in Österreich bereitet dem Direktor des Bundeskriminalamtes, Andreas Holzer, durchaus Sorgen.

Zwei wesentliche Faktoren sind es, die in diesem Jahr die Kriminalität massiv beeinflussen: Das Ende der Corona-Maßnahmen und der Angriffskrieg von Vladimir Putin gegen die Ukraine. 
Hat die Pandemie mit den Ausgangsbeschränkungen zu einem starken Rückgang im Bereich der Wohnungs- und  Hauseinbrüche und Kfz-Diebstähle geführt, näheren sich diese Delikte aktuell wieder dem Niveau von 2019 an. Alarmierend, wie Holzer meint. Täter sind wieder mobil, und die Menschen  wiegen sich ob der vergangenen zwei Jahre wegen der massiv gesunkenen Delikte mehr in Sicherheit. Zu sehr, meint Holzer, darauf müsse die Bevölkerung wieder aufmerksam gemacht werden.

Lockdown schrieb Kriminalgeschichte: Ganzer Tag ohne Einbrüche

Erpressungs-Software im Internet

Dass sich die Kriminalität wegen der Pandemie stark in den virtuellen Raum verlegt hat, ist auch evident. Die Schäden entstehen real. Die Täter sind agil, entwickeln laufend neue Techniken. Holzer: „Im Bereich des Internetbetrugs ermitteln wir in 67 unterschiedlichen Einzelphänomenen. Kleine und mittlere Unternehmen, die oft nicht gut geschützt sind, sind auch verstärkt das Ziel von Cybercrime, genauer gesagt: Erpressungs-Software.“ Wobei es nicht nur große, organisierte Tätergruppen gibt, weiß Holzer: „Software und Anleitung für diese Erpressungen sind als Paket schon leicht erhältlich, da muss man nicht einmal mehr ins Darknet.“ Unter dem Schlagwort „Cybercrime as a Service“ werden Erpressung und Software sozusagen „outgesourced“. 

Brennholz aus dem Fake-Shop

Das Bundeskriminalamt verzeichnet in diesem Bereich aktuell die höchsten Steigerungsraten. Holzer führt das einerseits auf die hohe Kreativität der Täter zurück – mit Beginn der Energiekrise etwa sind Brennholz-Fake-Shops entstanden – , andererseits aber auch darauf, dass gerade im Internet viele zu wenig geschützt, zu unvorsichtig und zu leichtgläubig seien. Etwa beim Einkauf auf Plattformen. Wobei Holzer nicht nur bei Bestellbetrug dazu rät, immer Anzeige zu erstatten.
Die großen Organisationen sitzen in Indien, der Türkei, China und auch Russland, internationale Kooperationen gibt es, die Polizeibehörden der jeweiligen Länder seien auch stark an der internationalen Zusammenarbeit interessiert.  

Cyberkriminalität stellt die Polizei überhaupt vor gewaltige Herausforderungen. Deshalb soll die Abteilung im Bundeskriminalamt in den nächsten Monaten von 60 auf 128 Personen aufgestockt werden, kann sich Holzer nicht auf einen konkreten Zeitpunkt festlegen lassen, „das erfolgt sukzessive und ist bereits im Laufen.“
Was jedenfalls kommen muss: Ein Nachjustieren  beim Personal. Die Zentralstellen seien zwar gut aufgestellt – laut Holzer  bekomme das Bundeskriminalamt mittlerweile auch gute Leute, Spezialisten von außen, im Bereich der Informatik, Technik und Forensik – die Kompetenz im Cybercrime-Bereich müsse aber auch in allen Polizeiinspektionen vorhanden sein. Die   Kriminaldienstreform solle es ermöglichen, dass derartige Fälle „überall abgearbeitet werden können“.

Polizei will mehr Befugnisse

Jedenfalls brauche es dazu auch verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz, Zugang zum „internetbasierten Informationsaustausch von Kriminellen“ und hochrangige Befugnisse für die Polizei bei schwerwiegenden Delikten, so Holzer. 
Was sich auch auf vor allem auf die Organisierte Kriminalität auswirkt und noch auswirken wird, ist der russische Angriffskrieg in der Ukraine. „Das kennen wir schon vom Bosnien-Krieg“, warnt Holzer, „viele Waffen sind verfügbar und kommen zu kriminellen Gruppen auf der ganzen Welt.“ Deshalb gibt es Kooperationen mit Nachbarländern der Ukraine, wie Rumänien, aber auch am Balkan, um Entwicklungen in diese Richtung frühzeitig zu erkennen. Das gilt auch für Schlepper, die den Krieg nutzen und immer brutaler werden.“ 

Schiene zu Russland bleibt offen

Trotz des Krieges setzt die Polizei auf Zusammenarbeit mit Russland: „Ein Ausschluss aus den polizeilichen Kanälen ist nicht zielführend. Eine Schiene muss aus unserer Sicht offen bleiben. Wichtig ist die Überprüfung der angeforderten Informationen.“
Was Holzer Sorgen bereitet: In der Pandemie sind die Tatverdächtigen insgesamt zurückgegangen. Außer in einer Gruppe: Jener der 10-14-Jährigen. Raub, Suchtgift, Diebstahl mit entwendeten Bankomatkarten sind die Hauptdelikte. „Da ist die Zahl sogar gestiegen“, weiß Holzer. Konkret von 6.303  im Jahr 2020 auf 7.426 im Jahr 2021. Er schließt daraus: „Kriminelle Karrieren fangen einfach früher an.“ 

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