"Legalize Heckenklescher"

Auf 40 Hektar werden Direktträgersorten angebaut
Steirische Initiative will neuen Anbau von alten Direktträgersorten wie im Burgenland durchsetzen.

"Die Kunden wollen das. Sie lieben es", versichert ein südsteirischer Weinbauer und ist überzeugt: Hätte er mehr davon, würde er die Menge locker verkaufen. Wein aus nicht veredelten Direktträgersorten nämlich, vertrieben unter diversen Fantasienamen, vor allem bekannt aber als " Heckenklescher".

Aber "mehr davon" geht in der Steiermark nicht. Auf rund 40 Hektar werden derzeit Direktträger angebaut und zu Wein, Frizzante oder Sturm verarbeitet. Verbotenerweise genau genommen, aber toleriert von den Behörden. Doch das Gebiet ausweiten? "Das ist eine Bedrohung, wenn man das aufmacht. Wir sind da lieber vorsichtig", begründet Johann Dreisiebner, Obmann des steirischen Weinbauverbandes, die Aversion der Winzer vor zu viel "Heckenklescher". Denn auf den Reben der Direktträger würde die Gefahr in Form der amerikanischen Rebzikade lauern, die die Stöcke vergilben lasse: Der Schädlingsbefall sei auf Edelsorten erkennbar und dadurch frühzeitig zu bekämpfen. Aber auf Direktträgern sehe man sie nicht.

Weinberg gerodet

"Das Risiko ist zu groß. Wer will da die Verantwortung übernehmen, auch politisch?", fragt Dreisiebner. Im Jahr 2009 habe wegen des Schädlings ein ganzer Weinberg gerodet werden müssen. Seither gebe es massive Kontrollen in den Direktträger-Anbaugebieten. "Jedes Jahr werden verdächtige Stöcke gefunden", bedauert Dreisiebner. "Aber bestehende Anlangen müssen trotzdem nicht gerodet werden."

Das Burgenland tickt offensichtlich anders. Dort firmiert Wein aus solchen Trauben als Uhudler, die Landespolitik will sogar mehr von dem Getränk mit der eher säuerlichen Note. Im Gegensatz zur Steiermark ist im Burgenland dieses "mehr davon" legal möglich: Neun Direktträgersorten wurden 2016 in die Weinbauverordnung aufgenommen und damit das EU-Verbot umgangen (siehe Zusatzbericht).

Antrag abgelehnt

Über so viel Lobhudelei für den Uhudler rümpft die steirische Landespolitik die Nase. Ein Antrag der Grünen im Landtag, doch ähnlich wie das Burgenland zu agieren, wurde in der jüngsten Sitzung abgelehnt. Andreas Lackner, Gemeinderat der Grünen in Deutsch Goritz und Nebenerwerbs-Gemüsebauer sammelt dennoch unverdrossen Unterschriften: Die Petition "legalize Heckenklescher" soll so viel öffentlichen Druck aufbauen, dass die ÖVP-SPÖ-Mehrheit ihre Haltung ändere. "Zwei bis drei Mal pro Tag kommen Leute zu mir, die eine Liste haben wollen, um selbst sammeln zu gehen", erzählt Lackner. "Das versteht ja keiner. Die Nachfrage ist da, die Erträge sind gut, Direktträger braucht man auch fast nicht spritzen, das sind resistente Sorten."

Lackner betrachtet den "Heckenklescher" als eine Art steirisches Kulturgut. Tatsächlich sind die Sorten alt: Ab 1870 wurden amerikanische Rebsorten mit heimischen gekreuzt und absichtlich ausgepflanzt, weil ihnen Rebläuse nichts anhaben konnten. Die Veredelung der Weinsorten begann viele Jahrzehnte später, setzte sich aber durch.

"Der Kampf geht seit mehr als 100 Jahren", ärgert sich der südsteirische Winzer, der anonym bleiben möchte, aus Besorgnis, dass man seinen Direktträgersorten behördlich zu nahe kommt. "Die Edelweinlobby ist gegen den Heckenklescher."

Ja, das stimme schon, gesteht auch Obmann Dreisiebner zu. Allerdings nicht, weil man den Kollegen kein Geschäft gönne. "Es kann nicht jeder das dazu kriegen, was er will. Aber es wird ja auch keinem etwas weggenommen." 4500 Hektar Qualitätswein-Anbaufläche in Gefahr zu bringen, stünde in keiner Relation. Dreisiebner rät, umgekehrt zu denken. "Die Menge ist überschaubar und etwas Besonderes. Ein Schmankerl."

Wenn schon, machen die Burgenländer ganze Sache: Die Marke "Uhudlerland" wurde geschützt, ein "Uhudlerdorf"-Logo entworfen, in Heiligenbrunn entstand ein Uhudler-Kompetenzzentrum.

Im April 2016 wurden neun Direktträgersorten in die Landesweinbauverordnung aufgenommen und dürfen neu angebaut werden: Amadeus, Bogni 15, Bolero, Boris, Breidecker, Concord/Ripatella, Delaware, Elvira und Evita. Die in der Steiermark häufig vorkommende Isabella-Traube bleibt aber auch im Burgenland ausgenommen. Weitere fünf Sorten dürfen derzeit ebenfalls nicht neu ausgepflanzt werden: Clinton, Herbemont, Jacquez, Noah und Othello.

Rund 70 Hektar Anbaufläche gibt derzeit, 15 davon kamen seit dem Vorjahr dazu, wurden also neu angepflanzt. Der Änderung im Burgenland gingen aber auch lange Debatten und rechtliche Diskurse voraus, die bis zum Höchstgericht gingen. 2015 bestätigte de Verwaltungsgerichtshof, dass Rodungsbescheide neu angepflanzter Reben korrekt seien. Zu Jahresbeginn 2016 kam eine Gegenbewegung in Schwung: Aufgrund von Einsprüchen gegen fünf neue Rodungsbescheide der Bezirkshauptmannschaft Güssing für Ripatella-Trauben beschloss das Landesverwaltungsgericht, die Rebsorte überprüfen zu lassen.

Die DNA der Traube

Dazu wurde eine DNA-Analyse an einer Hochschule Geisenheim in Deutschland in Auftrag gegeben - deren Ergebnis war überraschend: Ripatella ist demnach identisch mit Concord, einer Traube, die Anteile von Edelweinsorten enthält. Damit falle diese Sorte also nicht mehr unter des Aussetzungsverbot der EU, argumentierten die Richterund hoben die Rodungsbescheide auf. Ripatella ist die am häufigsten angebaute Direktträgersorte des Burgendlandes.

"Legalize Heckenklescher"
Der Uhudler ist eine Marke

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