Lawinen: "Das Risiko besteht immer"

Pro Jahr sterben in Österreich im Durchschnitt  22 Menschen in einer Lawine 
Drei Menschen in Kärnten auf Skiroute verschüttet. Pisten sind gut abgesichert, doch Risiko bleibt.

Mit bis zu 80 km/h donnern Schneebretter talwärts und reißen alles mit, was ihnen im Weg steht. Wie gefährlich die Situation derzeit in den Bergen, sogar auf freigegebenen Pisten und Skirouten sein kann, mussten drei polnische Urlauber in Kärnten erleben.

200 Meter breit und 300 Meter lang war das Schneebrett, das am Montagnachmittag im Kärntner Skigebiet Heiligenblut-Großglockner direkt neben einem Schlepplift abging. Gerade, als ein polnische Wintersportler mit seinem zwölfjährigen Sohn und dem achtjährigen Neffen auf der kurz vorher freigegebenen Skiroute unterwegs war.

Der Achtjährige wurde bis zur Hüfte verschüttet, Skifahrer bargen ihn. Der 12-Jährige wurde wegen eines herausragenden Skis von Einsatzkräften gefunden und aus eineinhalb Metern Tiefe ausgegraben. Der Vater hatte es selbst aus dem Schnee geschafft.

Lawinen: "Das Risiko besteht immer"

Dass Lawinen direkt in Skigebiete abgehen, ist sehr ungewöhnlich. Vor Betriebsbeginn waren noch Sprengungen durchgeführt worden. Doch erst vergangene Woche war im nahen Skigebiet Ankogel eine Lawine ins Skigebiet abgegangen.

Am vergangenen Samstag verloren zwei Kinder und eine Frau ihr Leben bei einem Lawinenabgang im Südtiroler Schnalstal. Das 200 Meter breite und knapp einen Kilometer lange Schneebrett hatte sich gelöst und die Skifahrer überrollt – auf einer gesicherten Piste. Schnell wurden Vorwürfe gegen die Betreiberbahn laut. Die Lawine hätte vorab erkannt und die Piste gesperrt werden müssen.

Völlig unerwartet hätte sich in etwa 3200 Metern Seehöhe – weit über der Piste – eine Schneeplatte gelöst, vermutlich durch den Wind. Das sei wahrscheinlich von außen nicht erkennbar gewesen, sagt der Sprecher der Schnalstaler Gletscherbahnen, Elmar Pichler Rolle. „Wenn wir etwas erkannt hätten, dann hätten wir die Piste nicht freigegeben.“ In den Tagen vor dem Unglück seien Sprengungen durchgeführt worden, die keine Lawinen auslösten.

Welche Konsequenzen gezogen werden, könne man noch nicht sagen: „Wir sind betroffen und geschockt, wir können jetzt nicht sagen, dass wir einfach so weitermachen.“ Einige Gutachten gelte es noch abzuwarten.

22 Lawinen-Tote

In Österreich gab es den letzten tödliche Lawinenunfall auf einer gesicherten Skipiste 2012 in Ischgl. Der Bund investiert seit Jahren Millionen in den Ausbau des Lawinenschutzes. Trotzdem sterben im Durchschnitt jährlich 22 Menschen durch Lawinen. Im Winter 2018/19 waren es 19.

„Prinzipiell sind die Pisten in Österreich und auch in umliegenden Skigebieten im Ausland sehr gut abgesichert. Viele Experten beschäftigen sich täglich damit, die Lage zu bewerten. Das Risiko besteht aber immer. Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit“, sagt der Lawinenexperte des Bundesforschungszentrum für Wald und Sachverständiger Peter Höller. Angst brauche man als Skifahrer keine haben. „Es ist nicht notwendig, auf gesicherten Pisten spezielles Equipment wie GPS-Ortungsgeräte, Schaufeln oder Lawinenairbags mitzuführen. Fährt man allerdings abseits der Pisten, ist das jedenfalls zu empfehlen.“

Dass Skigebiete aufgrund von finanziellem Druck gefährdete Gebiete wider besseren Wissens öffnen, glaubt Höller nicht: „Natürlich drängt sich der Gedanke auf, aber die Lawinenexperten arbeiten alle ehrenamtlich. Sollte etwas passieren, müssen sie mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.“

Vorerst geht das Lawinenrisiko zurück, lokal könnte es am Wochenende aber zurückkehren. Donnerstag und Freitag herrscht perfektes Skiwetter, danach wird es unbeständig. Konstantin Brandes, Meteorologe bei Ubimet, sagt für Mittwoch und Donnerstag Sonne, wenig Wind und auch im Hochgebirge mildere Temperaturen als in den Tälern voraus. Auf 2.000 Meter Seehöhe liegen die Temperaturen zwischen 4 und 7 Grad, auf 3000 Metern bei 3 bis 0 Grad. Wobei es im Osten wärmer ist als im Westen. Die Lawinenwarnstufe sinkt auf maximal Stufe 2 (mäßiges Risiko), da es kaum Niederschlag geben wird.

Lawinengefahr steigt

Am Freitag ziehen dann schon etwas mehr Wolken durch, bevor am Samstag eine Kaltfront eintrifft. Es wird stürmisch und vor allem in den Nordalpen kann es 10 bis 20 Zentimeter Neuschnee geben. Am Sonntag geht es ebenso kalt und stürmisch weiter – auf 2000 Metern hat es 5, auf 3000 Meter 10 Grad. Lokal kann durch Neuschnee und Wind die Lawinengefahr wieder auf Stufe 3  (erhebliches Risiko) steigen. „Das betrifft vor allem den Alpenhauptkamm von der Silvretta bis nach Osttirol“, sagt Brandes.  In der folgenden Woche könnte die Lawinengefahr dann abermals sinken, das sei laut dem Meteorologen aber noch sehr schwer vorhersehbar.  
 

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