Verwachsene Wälder, Wiesen, hübsche kleine Gewässer: Die Idee, dass die Lobau ein lieblicher Ort sei, hält sich seit langer Zeit. Auch die Drohnenaufnahmen, die in der Ausstellung „Schichtwechsel im Lückenraum“ erlauben, das Gebiet auf vier Screens (je einem für Frühling, Sommer, Herbst und Winter) zu vier Jahreszeiten gleichzeitig zu überfliegen, sind beeindruckend. Man sieht auf den Bildern aber auch schnurgerade Dämme, Lagertanks und Schneisen, die den Zweck erfüllen, leichter auf Wild schießen zu können. „Eine Landschaft könnte keine größeren Gegensätze auf kleinstem Raum beinhalten“, sagt Herwig Turk.
Dynamik
Der Künstler versucht seit Langem, die Tradition des Landschaftsbildes über das Einzelbild hinaus zu erweitern. Erkenntnisse von Wissenschaftern verschiedenster Disziplinen fließen bei ihm in eine „dynamische Landschaftsdarstellung“ ein. Die Praxis führt Turk seit einiger Zeit zur Auseinandersetzung mit Flusslandschaften.
Nach einem Projekt über den Tagliamento, den letzten großen unregulierten Alpenfluss, hat er nun mit seinem Partner Gebhard Sengmüller ein Stück Donau unter die Lupe genommen – zwischen dem Nationalpark Donauauen und dem Kraftwerk Freudenau. Es ist ein spannungsgeladener Ort, nicht zuletzt, weil hier auch der geplante Lobau-Tunnel verlaufen soll.
Die Auseinandersetzung darüber ist aber nur das jüngste Kapitel einer Geschichte von Abwägungen und Kämpfen, die die Künstler mit Schaukästen, Fotos, Objekten anschaulich machen: Vom Hochwasser im Jahr 1809, das Napoleons Niederlage bei Aspern mit verantwortete, geht die Geschichte zur Regulierung um 1870 bis zu den Plänen der Nazis, die mit dem Ölhafen und dem Fragment gebliebenen Donau-Oder-Kanal Wien zu einem „Hamburg des Südostens“ umbauen wollten.
Dass der Konnex zum Krieg hier nie verloren ging, verdeutlicht der Umstand, dass strategische Ölreserven bis heute hier lagern. Was der industriellen Nutzung entrissen wurde, diente oft der Jagd und Repräsentation – unter den Habsburgern, aber auch unter NS-„Reichsmarschall“ Hermann Göring, der das Areal 1938 zum „Reichsjagdgebiet“ ernannte.
Die Künstler verfolgen keine vordergründig aktivistische Agenda, wenngleich sie den Bau des Lobau-Tunnels nicht befürworten, wie Turk sagt. Indem sie die vielen Aspektedes Landstrichs ästhetisch erfahrbar machen, wollen sie aber Sensibilitäten schärfen – hängen doch Lobau-Idylle, Grundwasserressourcen und wirtschaftliche Nutzungen eng zusammen.
Da das Areal nicht mehr auf natürlichem Weg überschwemmt wird, sind ständige Maßnahmen nötig – und Entscheidungen, welche Ressourcen wohin fließen, sagt Turk: „Gerade jetzt sollte man verstehen, wie wichtig ein intaktes Flusssystem ist.“
Die Schau „Donau: Schichtwechsel im Lückenraum“ ist noch bis 22. April in der Galerie Rauminhalt – Harald Bichler zu sehen (Schleifmühlgasse 13, 1040 Wien, Di.–Fr. 12–19 Uhr, Sa. 10–15 Uhr, Eintritt frei). Am 19. 4. um 18.30 Uhr diskutieren in der Galerie Alexander Faltejsek (MA 49), Gertrud Haidvogl (BOKU Wien) und Friedrich Hauer (TU Wien) mit Künstler Herwig Turk über das Thema „Nutzungskonflikte am Stadtrand“
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