Kochen: Von "Nackerte Buam“ und "Faule Weiber“
Schuld sei ihr Vater. Wohlgemerkt im besten Sinne. „Er war ein Bauernsohn und ist 99 Jahre alt geworden. Im Alter wollte er immer das essen, was es früher gab. Wir haben gemeinsam begonnen, die Rezepte von einst nachzukochen“, erzählt Gudrun Steinkellner. Genau diese Rezepte hat die 62-Jährige nun in Buchform gegossen.
„Kochen wie früher in Kärnten“ heißt das Werk, das 260 Rezepte der traditionellen Kärntner Küche zusammenfasst. Wer dabei nur an Kärntner Nudel denkt, irrt. Denn es sind wahre Schätze, die sich dort finden. Von Mölltaler Kassuppn über Frigga mit Plentn oder Brennesssellablan. Alte, fast vergessene Speisen.
Handschriftliche Vorlage
Eineinhalb Jahre hat Steinkellner die Rezepte zusammengetragen, bevor das Buch fertig war. „Ich habe eine riesige Familie, da gab es viele handschriftliche Rezepte“, erzählt die gebürtige Lavanttalerin. Vor allem die Kochideen ihrer Mutter waren Inspiration für das 192-Seiten-Werk.
„Sie war Wanderkochlehrerin. Die Ernährungslage am Land war damals so schlecht, dass Wanderkochlehrer von Ort zu Ort zogen und die Bevölkerung über Ernährung aufklärten. Ihre handschriftlichen Kochbücher aus dieser Zeit habe ich irgendwann entdeckt“, erinnert sich Steinkellner.
Doch sind es nicht nur Mengenangaben und Kochanleitungen, die sich im Buch finden. Es sind vor allem Geschichten aus einer Zeit, in der die Menschen mit wenig auskommen mussten. Wie ein Wochenspeiseplan aus Sirnitz anno 1833 belegt. Darauf findet sich täglich zu Mittag und am Abend Sauerkraut. „Durch die Vitamine im Sauerkraut wurden die Menschen bestens versorgt. Es war eine Art Voressen auf den Bauernhöfen“, erklärt die Autorin.
Vornehme Hochzeit
Genau jene Geschichten, wie die des Sauerkrauts, Berichte über Hochzeiten im Jahr 1812 (bei „vornehmen Hochzeiten“ mit einer Knoblauchsuppe als Vorspeise) oder das typische Weihnachtsessen (der 24. war ein strenger Fasttag, es wurde gefastet, „bis man die Sterne sieht“) sind es, die Steinkellner vermitteln will. „Natürlich ist es ein Kochbuch. Aber ich möchte auch das Historische, die Geschichten vermitteln. In diesen steckt mein Herzblut. Die Küche von einst war eine nachhaltige Küche. Eine, bei der nichts weggeworfen, sondern alles verwertet wurde. Davon können wir heute wieder lernen.“
Ein Beispiel für eine Resteverwertung ist etwa der „Nackerte Bua“. Eine Resteverwertung von übrig gebliebenem Reindling, der in manchen Familien sogar zum Namenstag zubereitet wurde.
Bei 260 Rezepten, gibt es da ein Lieblingsrezept der Autorin? Die Antwort kommt schnell und mit einem Lachen. „Ja, Struklnudel. Das ist eine Art Strudel, der mit Nudelteig zubereitet wird. Wie Kärntner Nudel, nur wird er einfach aufgestrichen und geht viel schneller.“ Pause. „Darum hat er bei uns auch den Beinamen ,Faule Weiber Nudeln‘.“
Zutaten:
Nudelteig:
300 g Weizenmehl, Salz, 1 Ei, 1/4 l lauwarmes Wasser
Topfen-Erdäpfel-Fülle:
3 – 4 Erdäpfel, 1/2 kg Bröseltopfen, gehackte Nudelminze, Kerbel, Salz, Pfeffer
Zubereitung:
Mehl, Salz, Ei und Wasser zu einem mittelweichen Nudelteig verkneten und mindestens 30 Minuten rasten lassen.
Nun die Fülle zubereiten:
Die Erdäpfel kochen, schälen und zerdrücken. Topfen, Erdäpfel und Gewürze gut vermengen. Den Teig 3 mm dick zu einem Fleck ausrollen und mit der Fülle bestreichen. Den Teigfleck auf den Seiten etwas einschlagen, einrollen und in ein sauberes Tuch einschlagen. In kochendes, gesalzenes Wasser einlegen und 40 Minuten sieden lassen. Anschließend etwas überkühlen lassen, dann den Struklnudel in 3 cm dicke Scheiben schneiden. Mit zerlassener, leicht angebräunter Butter, Grammeln und Butterbröseln anrichten. Dazu gibt es Salat oder Apfelmus.
Statt Erdäpfel-Fülle kann auch eine Topfen-Semmel-Fülle zubereitet werden. Statt Erdäpfel eine Semmel verwenden. Die Semmel in Wasser einweichen. Gut ausdrücken und passieren und dann mit Kräutern, Topfen, Salz, Pfeffer mischen.
Eine Beschreibung, die mit Steinkellner schwer zu vereinbaren ist. Nach ihrer Ausbildung zur Hauswirtschaftslehrerin und einem Dolmetschstudium in Wien arbeitete sie 30 Jahre lang als Schulbuchlektorin. „Kurz vor der Pension habe ich mich mit meiner Rezeptarbeit selbstständig gemacht und bin wieder nach Kärnten gezogen.“
Und dann sagt die 62-Jährige einen Satz, der zwar nicht in ihrem Buch steht, aber nicht weniger wichtig ist: „Die Selbstständigkeit war ein ganz wichtiger Schritt. Er soll Frauen zeigen, dass das Leben nicht mit 50 aufhört. Wir haben dann noch jede Menge Power.“
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