K.O.-Tropfen: Die heimtückische Gefahr
Eine junge Frau wacht in der Früh ausgeraubt und voller Schmerzen in einem Hauseingang auf. Am Rücken hat sie blaue Flecken. An den inneren Oberschenkeln sichtbare Druckstellen und etliche Brandwunden, auch im Genitalbereich. Offenbar wurden Zigaretten an ihrem Körper ausgedämpft. Lisa kann sich bis heute nicht daran erinnern, was in der Nacht davor alles passiert ist. Aber sie weiß, dass es schlimm war. Dass etwas mit ihr gemacht wurde, das sie nicht wollte.
Das ist die Geschichte einer 23-jährigen Frau, der im Juli 2018 in einem Wiener Club, K.O.-Tropfen ins Getränk gemischt wurden. Es ist eine von vielen schockierenden Erzählungen, die an den heimischen Notrufstellen aufgenommen wurde.
Betroffene schämen sich meist, darüber zu reden. Täter werden selten gefunden. Genau deshalb soll für das Thema K.O.-Tropfen sensibilisiert werden. Martina K. Steiner, stellvertretende Leiterin des 24-Stunden-Notrufs, präsentiert im KURIER-Talk die aktuellen Kampagnen und gibt Einblick in die Gefühlswelt von Opfern. Meist sind es Frauen, die vergewaltigt wurden oder die den Verdacht haben, es sei ein Sexualdelikt an ihnen verübt worden.
Nicht nur psychologische Betreuung erhalten die Opfer hier. Sollte es gewünscht sein und so weit kommen, begleiten Steiner und ihr Team die Betroffenen auch durch den Strafprozess und organisieren die juristische Prozessbegleitung.
Dr. Wolfgang Bicker, Leiter des Forensisch-Toxikologischen Instituts in Wien, klärt über die Substanzen der Täter auf und führt aus, wie wichtig es ist, rasch einen Urin- oder Blutbefund im Verdachtfall machen zu lassen.
KURIER Talk mit Martina K. Steiner und Wolfgang Bicker
Scham, Erinnerungslücken, Angst, Schock und das Wissen, dass die Chance, die Täter zu finden, sehr gering ist, halten nach Expertenschätzungen 80 Prozent der Opfer davon ab, zur Polizei zu gehen. Dabei wäre genau das so wichtig, nämlich unverzüglich - am nächsten Tag.
„Bei einer Beeinflussung des Erinnerungsvermögens kann das Opfer ermittlungsrelevante Geschehensabläufe nicht adäquat rekonstruieren. In der Hoffnung, dass das Erlebte wieder zurückkehrt oder aus Furcht, keine genauen Angaben machen zu können, wird oft mit einer Anzeige gewartet. Dadurch geht wertvolle Zeit im Hinblick auf das Nachweisfenster verloren“, erklärt Bicker weiter.
„Es kann im Sinne einer effektiven Beweisführung, nicht nur die chemische Analytik betreffend, sondern etwa auch im Hinblick auf DNA-Spuren, nur appelliert werden, einen Verdachtsfall unverzüglich zur Anzeige zu bringen und unverzüglich Probenmaterial zu sichern."
Er betont, dass es schon lange nicht mehr „die speziellen“ K.O.-Tropfen gibt. „Weit mehr als 100 Substanzen verfügen zumindest ansatzweise über Eigenschaften, die sich ein Täter für den Missbrauch als K.O.-Mittel zu Nutze machen kann.“
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