Der Klimawandel holt das Waldsterben zurück
Das Waldsterben ist wieder da. Nur mit weit größerer Wucht als in den 1980er-Jahren. Damals war die Rettung des Waldes bundesweit ein prägendes gesellschaftliches Thema, aus dem etwa das Kuratorium „Rettet den Wald“ entstand. Nun ist es wieder so weit: Der Wald braucht einen neuen nationalen Rettungsplan. Denn: „Wir stehen durch den Klimawandel am Beginn einer kritischen Entwicklung für den Wald“, sagt Gernot Hoch vom Bundesforschungszentrum Wald.
Was früher dem sauren Regen zugeschrieben wurde, schaffen neuerdings Hitze und Trockenheit. Sie vernichten – direkt oder indirekt – fast Jahr für Jahr deutlich mehr Bäume als damals (siehe Grafik).
Die neuen Klimabedingungen wirken nämlich mehrfach: Sie schwächen nicht nur die Abwehrkraft der Bäume gegen Krankheiten, sondern schaffen zusätzlich wunderbare Lebensbedingungen für zugewanderte oder eingeschleppte Schädlinge. Dass gleichzeitig die Häufigkeit von schweren Stürmen (der Orkan Kyrill war 2007 der bisherige Höhepunkt) und Frostkatastrophen zunimmt, schließt den Teufelskreis.
Wildbestand
Doch das sind noch nicht alle Bedrohungen für den Wald: Zusätzlich ist der Wildbestand derzeit so hoch, dass sich Klagen aus der Forstwirtschaft mehren. Denn übermäßiger Wildverbiss vernichtet vor allem jenen Baum-Nachwuchs, der ganz natürlich von selber sprießt – damit perfekt an den Standort angepasst ist und den Waldbesitzer außerdem nichts kostet.
Inzwischen ist die Situation anscheinend dramatisch genug, dass die Niederösterreichische Landwirtschaftskammer Druck macht: „Wir starten demnächst gemeinsam mit den Jägern und den Bauern eine Kampagne, um die Abschusszahlen zu erhöhen“, kündigt ihr Forstdirektor Werner Löffler an.
Keine Minute zu früh: Aktuell erleben Ostösterreichs Wälder den stärksten Borkenkäferansturm seit 70 Jahren und haben gesunden Nachwuchs bitter nötig. 2017 verursachten die Käfer und ihre Larven mit 3,5 Millionen Festmetern die bisher größte Käfer-Schadholzmenge seit dem Zweiten Weltkrieg. Viele Forstleute rechnen damit, dass dieser Wert wegen der in vielen Gebieten bedrohlich geringen Niederschläge 2018 noch deutlich übertroffen wird. In betroffenen Gebieten jagt eine Krisensitzung die andere.
Fichte
Hauptsächlich ist es die bekannte Fichte, die derzeit speziell in Nieder- und Oberösterreich in Massen angegriffen wird. Besonders, wenn sie in zu niedrigen Höhenlagen gepflanzt wurde, was – trotz Warnungen – allzu häufig geschah. Zu lange war die Fichtenmonokultur Liebling der Grundbesitzer, weil sie frühen Ertrag bei vergleichsweise wenig Aufwand versprach. Erst vor zweieinhalb Jahren hat man in NÖ die Förderung für das Aufforsten umgestellt. Der Anteil von Fichten wurde – je nach Höhenlage – von bis zu 75 auf 50 oder 30 Prozent reduziert.
Heute müssen hektisch befallene Bäume geschlägert und abtransportiert werden, um die Vermehrung der Borkenkäfer zu bremsen.
„In den vergangenen beiden heißen Jahren ist die Einstellung der Waldbesitzer deutlich besser geworden. Immer mehr verzichten auf die Fichte, pflanzen dafür Ahorn und Buche“, berichtet etwa Johann Sandler, Forstberater der Bezirksbauernkammer Krems an der Donau in NÖ. Nur: Alternativbäume wie Douglasie, Tanne oder Eiche zählen zum Lieblingsfutter des Wildes. Sie müssen aufwendig geschützt werden und sind zudem noch nicht in ausreichender Menge erhältlich: Baumschulen brauchen einige Jahre Vorlaufzeit für die Produktionsumstellung.
Schädlinge
Doch nicht nur die Fichte leidet: Ein eingeschleppter Pilz ist mit großem Erfolg dabei, die Esche bundesweit auszurotten. Verzweifelte Versuche, resistente Bäume zu finden, sind bisher gescheitert. So droht der Esche ein ähnliches Schicksal wie der einst häufigen Ulme, deren Bestand durch einen Schädling bis auf einen marginalen Rest vernichtet wurde.
Selbst die als unverwüstlich geltenden Ahornbäume werden seit 2003 von der Pilzart Cryptostroma corticale befallen. Und ein aus Amerika importierter Schädling, der die bisher verschonten Kiefern befällt, breitet sich in Portugal aus. Für Waldfachmann Hoch ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der auch bei uns eintrifft.
Bisher tröstete, dass viel mehr Wald nachwuchs, als entnommen wurde. Doch der Vorsprung schrumpft. So ist die Natur wohl gerade dabei, eine Rechnung für gewinnmaximierte Waldwirtschaft auszustellen.
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