KURIER: Ist das Anschütten von Bilderrahmen der richtige Weg, um auf mangelnden Klimaschutz aufmerksam zu machen?
Lena Schilling: Ich habe dafür schon Verständnis. 50 Jahre lang wissen wir um die Klimakrise Bescheid. Jetzt haben wir 2022, die 27. Klimakonferenz läuft und wir wissen ganz genau: Es wird nicht gehen. Die 1,5 Grad sind nicht mehr erreichbar. Und jetzt sind ganz viele Menschen verzweifelt. Ich glaube aber, wir sollten es schaffen, mehr über die Menschen zu reden, die die Klimakrise verursachen und sich dabei die Hände schmutzig machen und nicht über die, die sich die Hände damit schmutzig machen, Bilder anzuschütten.
Dem Profil haben Sie vor Kurzem gesagt, Sie halten die Aktionsform für taktisch nicht sinnvoll, weil sie Menschen treffe, die keine Entscheidungsmacht haben.
Ich glaube, das Ziel muss es sein, eine Klimabewegung zu etablieren, mit der sich alle identifizieren können. In einer Demokratie gewinnen wir Themen nur, wenn wir die Mehrheit der Gesellschaft dafür gewinnen, für Klimaschutz und für harte Klimaschutzmaßnahmen zu sein. Das heißt, ich glaube, dass es taktisch viel sinnvoller wäre, disruptive Aktionen gegen die zu richten, die die Verantwortung tragen und nicht Menschen im Frühverkehr zu blockieren, die vielleicht gar nicht anders zur Arbeit kommen.
Das Leopold Museum hat von einem „Anschlag“ gesprochen. Ist das in diesem Kontext angemessen?
Nein, überhaupt nicht. Ich glaube, dass gewaltsame Begriffe wie Anschlag oder Terroristen dazu führen, dass sehr viel Hass geschürt wird. Und wir haben ja schon gesehen, dass Klimaaktivistinnen verletzt wurden, weil sie sich auf die Straße geklebt haben.
Sie haben kürzlich ein Buch namens „Radikale Wende“ veröffentlicht. Sehen Sie sich selbst als radikal?
Ich sehe mich als sehr radikal, aber im eigentlichen Wortsinn: „von der Wurzel an“. Wir brauchen eine Systemwende und ich hoffe sehr, dass viele Leute mich als radikal empfinden. Radikal muss nicht wahnsinnig heißen.
Aktuell läuft die jährliche UN-Klimakonferenz. Warum sind Sie nicht dort?
Die letzte Klimakonferenz hat damit geendet, dass Präsident Alok Sharma sich bei allen Delegierten und bei den künftigen Generationen entschuldigt hat und mit Tränen in den Augen gesagt hat: Sorry, wir haben es nicht geschafft. Seitdem ist ein Jahr vergangen und es ist viel zu wenig passiert. Jetzt wird die nächste Konferenz in einer Militärdiktatur veranstaltet und Coca-Cola, der Konzern, der für die meisten Umweltverbrechen verantwortlich ist, ist Hauptsponsor. Zu glauben, dass bei so einem Event die Wende passiert, ist illusorisch.
Sie haben es selbst angesprochen, das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist de facto verfehlt. Der Club of Rome sagt trotzdem: Wir können es noch schaffen, wenn wir es jetzt angehen. Teilen Sie diesen Optimismus?
Wenn wir jetzt gemeinsam beschließen würden, wir stellen alles um und überdenken, wie wir die Systeme so gestalten können, dass wir die Krisen schaffen, dass wir das Beste für die Menschen tun und im Gemeinwohlinteresse handeln: Ja, dann würden wir das schaffen. Aber es geht um politische und wirtschaftliche Interessen und die werden leider meistens über die Interessen der nächsten Generationen gestellt.
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