Nach Klimt-Attacke: Wer sind hier eigentlich die Radikalen?

AUSTRIA-CLIMATE-ENVIRONMENT-MUSEUM-PROTEST
Es ist schon wieder was passiert, diesmal im Leopold-Museum.

Laut Pressestelle der Vereinten Nationen haben sich knapp 35.000 Menschen für den Klimagipfel im ägyptischen Sharm el-Sheikh registriert. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass das schon alle sind, die die Klimakrise kümmert.

Natürlich ist das Blödsinn. Erstens, weil wohl einige der Delegierten, etwa aus den Ölstaaten, offensichtlich so agieren, als wäre ihnen die Klimakrise egal, sonst wären wir schon weiter. Und zweitens, weil schon klar ist, dass eine deutliche Mehrheit, wohl nicht nur in Österreich, um die Klimakrise und die Gefahren Bescheid weiß und auf ein gutes Ergebnis hofft.

Und dann gibt es jene, die richtig wütend sind, dass sich so wenig tut. Wenige wollen dann Zeichen setzen, und kleben sich auf Straßen oder auf Kunstwerke, bis die Exekutive kommt, und sie losreißt. Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ haben am Dienstag im Wiener Leopold Museum das Gemälde „Tod und Leben“ von Gustav Klimt mit schwarzer Farbe überschüttet. Beschädigt wurde das Kunstwerk laut erster Bestandsaufnahme nicht.

Die Aktivisten bezeichneten auf ihrem Twitteraccount neue Öl- und Gasbohrungen als „Todesurteil für die Menschheit“. „Wir kennen das Problem seit 50 Jahren, wir müssen endlich handeln, der Planet wird sonst kaputt“, riefen die beiden Männer bei ihrer Aktion. „Stoppt die fossile Zerstörung. Wir rasen in eine Klimahölle.“

Von den vielen Reaktionen erlaube ich mir nur eine hervorzuheben: Für ÖVP-Staatssekretärin Claudia Plakolm (ihre Agenda ist nur die Jugend) seien Aktionen wie im Leopold Museum oder das Ankleben auf der Straße „auf ganz vielen Ebenen respektlos“. Man müsse zwar viele Menschen für Klimaschutz begeistern, mit ihrem Vorgehen erreiche die „Chaostruppe“ aber das Gegenteil. „Man gewinnt aus meiner Sicht keinen Millimeter, wenn man die Leute terrorisiert. Was wir brauchen ist Klimaschutz mit Augenmaß und Weitblick.“

Natürlich könnte man dem entgegnen, dass uns unser „Klimaschutz mit Augenmaß und Weitblick“ zum Klimaschlusslicht, oder zumindest auf einem Stockerlplatz der Schlusslichter geführt hat, man könnte auch anführen, dass Österreich als einer der wenigen EU-Staaten kaum Emissionen im Vergleich zu 1990 eingespart hat, was uns schon teuer zu stehen gekommen ist (halbe Milliarde Steuergeld wurden 2014 für das nicht-Erreichen der Kioto-Ziele gezahlt), und uns wahrscheinlich noch Milliarden an Strafen kosten wird.

Aber darum geht es heute nicht. Sondern:

"Klimaaktivsten werden manchmal als `gefährliche Radikale` dargestellt. Aber die wirklich gefährlichen Radikalen sind die Länder, die die Produktion von fossilen Brennstoffen erhöhen. Investitionen in neue Infrastruktur für fossile Brennstoffe sind moralischer und wirtschaftlicher Wahnsinn." Das wäre mein Argument, und gesagt hat es kein Geringerer als UN-Generalsekretär Antonio Guterres.

Oder so: „Hier zeigen junge Menschen ihre Wut und ihre Entrüstung darüber, wie achtlos wir mit unserem Planeten umgehen und wie wir ihre Zukunft verspielen. Ich kann diesen Zorn verstehen. Über die Wahl der Mittel kann man diskutieren. Was man aber jedenfalls feststellen muss: Die Wissenschaft hat jahrzehntelang sachlich und fundiert auf die Klimakrise aufmerksam gemacht, und wurde nicht ernst genommen. Wichtig ist aber: Was wir heute entscheiden, bestimmt, wie die jungen Menschen morgen leben können. Die Überhitzung des Planeten zu stoppen, das ist der Schlüssel dafür, um der nächsten Generation ein lebenswertes Land zu übergeben. Daher werde ich hier keine Ruhe geben. Denn auch die junge Generation hat ein Recht auf einen lebenswerten Planeten.“

Das sagte, richtig, Bundespräsident Alexander Van der Bellen erst vor wenigen Tagen im KURIER auf meine Frage zu den Aktivisten, die sich an Fahrbahnen kleben oder große Kunstwerke beflecken.

Oder anders: Die Kollegen vom Standard haben eine der Klebeaktivistinnen interviewt, und sie sagt etwas flehentlich den Satz: „Bitte sagt uns, wie wir sonst protestieren sollen.“

Was mich an der ganzen Sache ärgert, ist, dass der Versuch, das Bildungsbürgertum so wachzurütteln, offensichtlich untauglich ist. Bei Klimts Gemälde „Tod und Leben“ ist der Tod ein bedrohlicher Sensenmann, der nur schemenhaft visualisiert ist. Die Menschen daneben scheinen zu schlafen und den Tod zu ignorieren.

So kompliziert ist das ja doch eigentlich nicht.

Und der Treppenwitz der Geschichte: Anlässlich des Leopolditags gab es im Leopold Museum freien Eintritt, und als Sponsor trat in diesem Zusammenhang die OMV auf. Jene OMV, die gerade prüft, ob man im Weinviertel nicht vielleicht nach Erdgas fracken sollte, also neue fossile Infrastruktur bauen könnte.

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