Kinderschützer distanzieren sich von „Bündnis Kinderschutz“

Kinderschützer distanzieren sich von „Bündnis Kinderschutz“
Nicht überall, wo Kinderschutz drauf steht, sei auch Kinderschutz drin. Der Verein erfülle Gütekriterien nicht.

Der Verein, der den Fall in Lech an die Öffentlichkeit gebracht hat, nennt sich „Bündnis Kinderschutz Österreich“. Mit den Kinderschutzorganisationen, die bestimmte Gütekriterien erfüllen müssen, damit sie von den Jugendschutzbehörden in den Bundesländern anerkannt werden, hat der Verein nichts zu tun – und er kooperiert auch nicht mit ihnen, wie es auf KURIER-Nachfrage heißt.

Petra Sansone, Vorstandsmitglied und Geschäftsführerin der Kinder- und Jugend GmbH in Tirol, gibt zu bedenken: „Der Wunsch nach Strafen für die Täter bei Kindesmissbrauch ist verständlich, aber nicht die einzige Lösung. Vorrangiges Anliegen muss der Schutz der Kinder sein. Seit Jahren etablierte Anlaufstellen für von Gewalt betroffene Kinder und deren Bezugspersonen sind die Österreichischen Kinderschutzzentren, die über eine qualitätsgesicherte Expertise verfügen. 

Nicht im Sinne des Kindes

So wie der Fall jetzt an die Öffentlichkeit gedrungen ist, sei es jedenfalls nicht im Sinne des Kindes, sagt Hedwig Wölfl von der Kinderschutzorganisation der Möwe. „Das war alarmistisch und täterorientiert.“ Es könne nämlich nicht im Sinne des Schutzbedürfnisses eines irritierten Kindes sein, dass so ein Verdachtsfall während des Ermittlungsverfahrens an die Öffentlichkeit gebracht wird. „Diese Berichterstattung wird das Kind das ganze Leben lang begleiten“, gibt Wölfl zu bedenken. Es sei auch nicht Aufgabe von Kinderschutzorganisationen oder Psychotherapeutinnen, Nachforschungen anzustellen. Das sei eindeutig Aufgabe der Polizei. Die Kinderschutzorganisationen distanzieren sich deshalb von dem Verein.

Grelle Homepage

Wer auf die grellorange-schwarze Homepage des „Bündnis Kinderschutz Österreich“ geht, der erfährt jedenfalls nicht, wo er sich im Fall des Falles hinwenden kann – sondern wird zu Spenden aufgefordert. Groß zu sehen sind darauf die Unterstützer des Vereins – ausschließlich Männer, viele davon Boxer und Kampfsportler. Und es wird versprochen, dass der Missbrauchsfall medial bekannt gegeben wird. 

Auch das Buch, das von der Homepage heruntergeladen werden kann, ist aus professioneller Kinderschutzsicht keinesfalls zur gewaltpräventiven Arbeit geeignet, so Wölfl. "Statt eine sachlich-konstruktive Aufarbeitung einzuleiten, wird das grenzverletzende Kind durch eine erwachsene Vertrauensperson angeprangert _ , in diesem Falle die Lehrerin, die wiederum Gewalt ausübt. Würde sie sich so verhalten, wäre das dienst-und strafrechtlich verfolgbar."

 

Die Österreichischen Kinderschutzzentren melden sich zur aktuellen Berichterstattung rund um den Missbrauchsverdacht in einer Schischule zu Wort und fordern Qualitätskriterien für professionellen Kinderschutz.

Wenn Fälle von Gewalt an Kindern oder der Verdacht auf Missbrauch bekannt werden, ist die Betroffenheit sehr groß. Damit verbunden ist der Wunsch rasch etwas zu tun oder Schuldige zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen. Vorschnelle Schlüsse, wie sie in solchen Phasen der Verunsicherung oftmals gezogen werden, schaden mehr, als sie nützen. Mögliche Folgen für die Kinder und deren Eltern/Bezugspersonen werden in Kauf genommen; Angst geschürt – all das im Namen des Kinderschutzes. Aber: Kinderschutz sieht anders aus.

Eltern in Sorge

Für Eltern ist die Vorstellung, dass ihr eigenes Kind von Missbrauch betroffen sein könnte, unerträglich. Manche Eltern sind in Sorge, ob ihre Kinder von vertrauenswürdigen und verlässlichen Erwachsenen betreut werden und was ängstliche Verhaltensweisen ihres Kindes bedeuten könnten.

Die Schwierigkeit, sexuellen Missbrauch an Kindern zu erkennen, liegt auch daran, dass es keine eindeutigen Symptome gibt, die bei allen Kindern auftreten. Verhaltensweisen, wie das Anklammern an Bezugspersonen oder nicht mehr in eine Institution gehen wollen, können Merkmale sein, allerdings nicht für sich allein stehend. Maßgeblich ist der Blick auf mögliche Verhaltensänderungen eines Kindes und auf den Kontext, in dem das Verhalten bzw. die Verhaltensänderung stattfindet.

Kinderschutzzentren arbeiten vernetzt 

Professioneller Kinderschutz ist fachlich fundiert, heißt es in einer Aussendung der Österreichischen Kinderschutzzentren: "Mitarbeitende in Kinderschutzorganisationen verfügen über eine spezifische Expertise sowie Erfahrung in der professionellen Arbeit mit gewaltbetroffenen Kindern und Jugendlichen und ihren Familien. Seriöser Kinderschutz arbeitet vernetzt und bei Bedarf in Kooperation mit dem jeweils zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger. Anerkannte Kinderschutzorganisationen skandalisieren nicht – sie handeln mit Bedacht. Qualitätssichernd für professionellen Kinderschutz sind Maßnahmen wie Dokumentation, Supervision und Weiterbildung."

Anlaufstellen für Eltern, die sich Sorgen machen

Für die Österreichischen Kinderschutzzentren, mit ihren 34 Standorten in ganz Österreich, sei dies seit mehr als 30 Jahren gelebte Praxis. "Sie setzen sich fachlich und wissenschaftlich mit der Dynamik von Gewalt und den Gründen, warum Opfer häufig schweigen, auseinander. Sie begleiten Kinder, Jugendliche, die von Gewalt betroffen sind bzw. wo der Verdacht auf Gewalt besteht, und beraten pädagogische und andere Berufsgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, in Kinderschutzfragen", heißt es in der Aussendung

„Wir als Kinderschutzzentrum haben als primären Fokus den Blick auf das betroffene Kind und den Schutz des Kindes. Wenn der unmittelbare Schutz des Kindes hergestellt ist, werden unter Einbezug aller relevanter Personen und Stellen Maßnahmen und Hilfepläne erarbeitet. Wir leisten akute Krisenintervention, wir beraten Eltern und Erziehungsberechtigte, wir begleiten Kinder psychotherapeutisch, wir beraten professionelle Fachkräfte, wir klären Kinder und ihre Bezugspersonen über die polizeilichen Einvernahme auf und leisten psychosoziale Prozessbegleitung“, fasst Petra Sansone zusammen.

Kinderschutzzentren sind anerkannte Träger der nicht behördlichen Kinder- und Jugendhilfe und damit sowohl mit dem behördlichen Kinderschutz; also der Kinder- und Jugendhilfe, als auch Exekutive und Justiz vernetzt.

Skandalisierung hilft nicht

„Gewaltdynamiken sind sehr vielfältig und erfordern differenzierte Vorgehensweisen. Um Kinder und Jugendliche, die Gewalt erleben, gut unterstützen zu können, braucht es Professionalität und Erfahrung in der Arbeit mit Kindern und Familien. Skandalisierung hilft betroffenen Kindern nicht weiter. Es braucht daher klare Qualitätskriterien für Organisationen, die sich als Kinderschutzeinrichtungen bezeichnen oder im Namen des Kinderschutzes agieren“, betont Petra Birchbauer, Vorsitzende im Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren und Bereichsleiterin Kinderschutz, Kinder- und Jugendhilfe bei RdK Steiermark.

„Vor diesem Hintergrund distanzieren sich die Österreichischen Kinderschutzzentren klar von den Aktivitäten des Bündnis Kinderschutzes – in der aktuellen Berichterstattung wird ein Vertreter des Bündnisses als Obmann eines Kinderschutzzentrum bezeichnet – dies ist ganz klar nicht der Fall – es gibt keinerlei Zusammenarbeit zwischen den Kinderschutzzentren und dem Bündnis“, betont Sansone.

Kinderschutzkonzepte 

Im institutionellen Kinderschutz kann mit umfassenden Kinderschutzkonzepten das Risiko von Grenzverletzungen und Gewalt minimiert werden – dabei geht es um eine Auseinandersetzung mit den Gewaltrisiken der eigenen Tätigkeit, Entwicklung von präventiven Maßnahmen etwa im Personalwesen, auf struktureller Ebene, das Installieren von niederschwelligen Beschwerdemechanismen sowie um die Entwicklung detaillierter Interventionspläne. Vernetzung, Dokumentation und Evaluation sind auch hier Standard.

Jeder und jede kann etwas zum Kinderschutz beitragen. Im Privaten, aber auch in der Zusammenarbeit mit bzw. durch Unterstützung von Kinderschutzorganisationen Die professionelle Kinderschutzarbeit braucht fundierte Expertise und Vernetzung.

Die Adressen aller österreichischen Kinderschutzzentren finden Eltern und Fachpersonen unter: www.kinder-schuetzen.at

Informationen zum Thema Kinderschutzkonzepte sowie Organisationen, die bei der Entwicklung eines Kinderschutzkonzeptes begleiten, sind auf www.schutzkonzepte.at zu finden.

 

 

 

Anlaufstellen : Wer einen konkreten Verdacht hat, dass ein Kind Opfer sexuellen Missbrauchs geworden ist, der sollte sich an die Kinderschutzzentren wenden, die es in ganz Österreich gibt. Details: kinder-schuetzen.at

Alarmzeichen: Plötzliche Verhaltensänderungen sollten Eltern hellhörig machen. Hat ein Kind z. B. nie geweint, wenn die Mama weggeht, und es beginnt  plötzlich zu weinen, kann das ein Indiz für  Missbrauch sein, muss es aber nicht. Einige Kinder werden aggressiv, andere sprechen wenig, bei anderen  merken Außenstehende nichts. Das macht die Sache so schwierig

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