Kaugummiautomaten, Waagen & Co: Kindheitserinnerungen auf der Straße
Mit einem kurzen Klacken fällt die Münze hinunter, dann folgt beim Drehen ein einzigartiges, ratschendes Geräusch, gefolgt von einem kurzen Poltern und schließlich die gespannte Frage: Was wird es sein? Welche Farbe haben die Kugeln? Erinnerungen an die Schulzeit werden wach, als viele Schillinge im Laufe der Zeit in einem der schier unzähligen Kaugummiautomaten verschwanden.
Heute gibt es Kaugummis und kleine Spielsachen bei jeder Supermarkt-Kassa, in jeder Tankstelle, doch wer mit offenen Augen durch die Straßen geht, wird noch erstaunlich viele Kaugummiautomaten entdecken. Die Farbe blättert oft schon etwas ab und die Aufkleber sind manchmal verblasst, aber es gibt sie noch. Und zwar gar nicht zu wenige.
„Insgesamt betreuen wir zirka 10.000 Kunden in ganz Österreich“, sagt Georg Schwarz aus St. Johann im Pongau. Er ist Herrscher über ein Automatenimperium, das 50 Mitarbeiter und insgesamt mehr als 100.000 Automaten in Österreich, Italien, Tschechien und Deutschland umfasst. Seine Automaten spucken nicht nur Kaugummis aus, sondern auch andere Süßigkeiten, Spielsachen, Nüsse oder auch Kondome und Sex-Gags. 1966 wurde der Betrieb von seinem Vater gegründet, seit 2005 leitet Georg Schwarz das Unternehmen.
Macht sich das heutzutage überhaupt noch bezahlt? „Das Geschäft rentiert sich nach wie vor, hat sich in den letzten 30 Jahren aber sehr verändert. Die Automaten wurden im Innenbereich mehr, im Außenbereich weniger. Wichtig ist generell eine hohe Kundenfrequenz.“
Die Automaten werden übrigens nicht vor Ort neu befüllt. Ist der Inhalt leer und die Geldkassa, voll werden die Geräte alle paar Wochen nach St. Johann gebracht. „Die Geräte werden in der Firma gewartet und von unseren Außendienstmitarbeitern nur getauscht“, erklärt Schwarz. Ein leidiges Thema ist dabei Vandalismus, der „je nach Örtlichkeit und Jahreszeit“ dem Automaten-König das Leben schwer macht.
Und gibt’s beim zeitlosen Geschäft mit den Automaten auch noch so etwas wie Trends? „Es gibt Klassiker wie Springbälle und Kaugummikugeln, aber auch speziell bei den Spielsachen Trends, die sich alle paar Monate ändern“, sagt Schwarz.
Kilo-Check auf der Straße
20 Cent bezahlen, um zu wissen, wie schwer man ist? Wer will schon freiwillig vor den Augen von Passanten erfahren, dass er das eine oder andere Kilo am Bauch oder an den Hüften zugelegt hat? „Aus Spaß werden sie noch immer gut genutzt“, erzählen Karin und Andreas Popp aus Pinkafeld im Burgenland. Sie verdienen mit den rund 400 restlichen „Berkel“-Personenwaagen in Österreich ihr Einkommen. Obwohl die Blütezeit solcher Nostalgie-Geräte längst vorbei ist, sind sie beliebte Attraktionen bei Touristen oder unter Freunden. „Ein Hit ist das Spiel ,Wer ist der Dickste von uns?’“, weiß Karin Popp. Gleichzeitig dienen die Waagen als optischer Aufputz für Fotos, um damit in sozialen Medien aufzufallen.
Ein Blickfang war die erste öffentliche Personenwaage schon vor genau 131 Jahren bei der Jubiläums-Gewerbe-Ausstellung anlässlich des 40-jährigen Thronjubiläums von Kaiser Franz Joseph in Wien. Bis dahin wussten die Wiener, dass aus Gerätschaften mit Münzeinwurf nur Schokolade kam. Die Beanstandung eines Testers ist bis heute überliefert: „I bitt’, i muss mich beschwern, i hab da drei Kreuzer einigeb’n und ’s kommt ka Schokolat’ außa.“Kurze Zeit später begann der Siegeszug der Personenwaagen in Österreich. Neugierde und die Besonderheit, einfach und günstig sein Körpergewicht zu erfahren, führten zum Erfolg.
Das war auch der Auslöser dafür, dass ab der Zwischenkriegszeit Modebewusstsein, Schönheitsideale und Körperpflege an Bedeutung zunahmen. Meist verbreitet war das Modell „Schnellwaage 24000 MI“ von der Firma Berkel. Ende der 1960er-Jahre ging das Geschäft zurück, das Gewicht wurde zusehends zum Privatthema. Die Produktion wurde 1978 endgültig eingestellt.
„Ersatzteile stellen wir inzwischen selber her, weil wir sie nirgends mehr her bekommen“, sagt das Ehepaar Popp. Aufgrund von Vandalismus müssen die Unternehmer auf robuste Materialien zurückgreifen. Sobald die beiden Mittfünfziger in Pension gehen, hoffen sie, dass ihre Söhne das traditionsreiche Geschäft weiterführen. „Wenn sie in ihren Berufen bleiben, können wir ihnen aber nicht böse sein“, sagt Karin Popp.
Telefonzellen
Analoge Relikte sind auch Telefonzellen, die es hierzulande seit 116 Jahren gibt. Damals bewilligte die „k. k. Post“ nach einem Patent des Ingenieurs Robert Bruno Jentzsch die allerersten „Telephonautomaten“. Der Erste ging am Wiener Südbahnhof in Betrieb. Belgien hat seit 2015 keine Telefonzellen mehr. In der Schweiz ist die Letzte Anfang Dezember abgebaut worden. Und in Österreich? Da gibt es sie noch.
Vor Bahnhöfen, in Spitälern oder in Einkaufszentren. Aufgrund der sogenannten „Universaldienstverordnung“ ist der heimische Telefonanbieter A1 verpflichtet, die öffentlichen Münz- oder Wertkarten-Sprechstellen zu betreiben. Waren es Anfang 2019 rund 11.500, sind inzwischen wieder 500 weitere abmontiert worden. Tendenz fallend.
Man wundert sich ohnehin, warum ein Relikt vergangener Tage in Zeiten hoher Mobilfunkdichte und der Smartphones noch laufen muss. „Die Nutzer sind nach wie vor Jugendliche, Handybesitzer mit leerem Akku, Menschen mit geringem Einkommen oder oft auch Touristen“, erklärt A1-Sprecherin Livia Dandrea-Böhm. Geld bringen nur noch ganz wenige Standorte. Aufgelassene Telefonzellen verwandeln sich dann oft in Stromtankstellen, Paketstationen oder Bücherbörsen, sagt sie.
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