Wie Frauen in Ghana von fairem Kakao-Anbau profitieren
Wäre das der Plot eines Hollywoodfilms, würde man ihn für unrealistisch halten.
Dora Atiiga lebt in Ghana, hat drei Kinder, und ist Kakao-Bäuerin. Ein typisches Leben für eine Westafrikanerin. Was sie im Gespräch mit dem KURIER erzählt, klingt dann aber gar nicht mehr typisch. Sie hat eine Schule gegründet, um Kinderarbeit zu reduzieren. Sie hat vor dem Europäischen Parlament über die Effekte der Klimaerwärmung auf die Kakaoproduktion in ihrer Heimat gesprochen. Sie hat die „Women’s School of Leadership“ von Fairtrade Africa absolviert. Und zu alldem hat sie ihr Mann ermutigt.
„Ich wollte eigentlich zu Hause bleiben und mich um die Farm und unsere Kinder kümmern“, sagt sie. „Aber mein Mann hat gemeint, ich soll es mit einer Fortbildung versuchen.“
In Ghana ist die Gleichstellung von Mädchen und Frauen zwar in der Verfassung verankert, Analphabetismus, Armut und Gewalt sind für große Teile der weiblichen Bevölkerung ein ständiger Begleiter. Dass die Männer in ihrem Dorf, anders als viele andere Farmer, unterstützend wären, sei ein „unfassbares Glück“, meint Dora.
Bestimmungen
Dass es so ist, liegt aber eben nicht nur an Glück. Es liegt auch an Initiativen wie Fairtrade. Das Siegel steht dafür, dass die Bäuerinnen und Bauern möglichst fair bezahlt werden. Im Gegenzug sollen in den Kooperativen, mit denen Fairtrade zusammenarbeitet, demokratische Prozesse gefördert, Gleichberechtigung vorangetrieben und Kinderarbeit ein Riegel vorgeschoben werden.
Bei allen besuchten Kakao-Kooperativen ist man bemüht, die Frauen vor den Vorhang zu holen, bei jedem Treffen sind viele Frauen anwesend. Die Termine laufen dabei immer gleich ab. Es startet mit einem Gebet, jeder der Anwesenden stellt sich kurz vor und dann wird über die Arbeit, die Erfolge und Herausforderungen gesprochen. Nach der Vorstellungsrunde, auch das ist auffällig, reden dann aber ausschließlich die Männer. Will man also eigens für den Besuch aus Europa ein besonders gleichberechtigtes Bild abgeben, das einer genaueren Betrachtung nicht standhält?
Mindestpreis
Fairtrade arbeitet mit Kooperativen zusammen, die aus mehreren Kleinbauern bestehen. Ihnen wird ein Mindestpreis garantiert, zusätzlich werden Prämien für Gemeinschaftsprojekte und Schulungen zu Anbaupraxis oder Frauen- und Kinderförderung gezahlt
Finanzierung
Fairtrade finanziert sich hauptsächlich aus den Einnahmen aus den Lizenzgebühren für das Fairtrade-Siegel. Ist dieses auf einem Produkt zu sehen, müssen alle Zutaten, die unter Fairtrade-Bedingungen erhältlich sind, auch Fairtrade-zertifiziert sein. Bei Schokolade sind das z. B. Kakaobutter (bzw. -masse), Vanille und Zucker
Nachfrage
713.000 Tonnen Kakao werden unter Fairtrade-Bedingungen angebaut. Aber nur rund ein Drittel davon wird auch unter diesen Bedingungen verkauft. Mehr Nachfrage von Konsumenten ist darum essenziell für die Lebensqualität der Bauern. Pro verkaufter
100-Gramm-Schokoade bekommen Kakaobauern ca. 13 Cent ausgezahlt
Nein, sagt eine der Anwesenden, Sandra, später im Vier-Augen-Gespräch. Viele der Frauen, die jetzt innerhalb der Kooperative etwas zu sagen hätten, seien schlicht und ergreifend nicht in der Schule gewesen, könnten also nicht ausreichend Englisch, um sich aktiv an der Diskussion mit der Delegation aus Österreich zu beteiligen. Nach und nach werde sich das ändern, weil man sehr auf „female Empowerment“ achte und auf die Bildung von Mädchen dränge.
Anfangs seien die Männer dagegen gewesen, räumt Sandra ein. Aus Angst, Macht einzubüßen. „Mittlerweile haben sie aber verstanden, dass man, indem man Frauen stärkt, auch die Männer stärkt.“
Der Löwenanteil kommt aus Westafrika
Die Kakaofrüchte reifen vier bis acht Monate lang und verfärben sich von Grün zu Gelb (oder auch Violett). Die
abgebildete Frucht ist reif zum Ernten. Weltweit werden fünf Millionen Tonnen Kakao pro Jahr geerntet. 60 Prozent davon stammen aus Ghana und der Elfenbeinküste
Fermentation sorgt für den charakteristischen Geschmack
Direkt nach dem Ernten werden die Früchte geöffnet. Das weiße Fruchtfleisch kann man essen – es schmeckt süßlich. Die Bohnen werden (meist direkt am Feld) unter Bananenblättern für mehrere Tage fermentiert. Dadurch entstehen Vorstufen des späteren Schokoladearomas
Die Macht der Sonne wird beim Trocknen genutzt
Nach dem Fermentieren werden die Bohnen in das Dorf gebracht und es folgt das Trocknen: Die Bohnen werden auf Matten aufgelegt und regelmäßig gewendet. Das Trocknen in der Sonne stoppt den Fermentierungsprozess. Auch die Feuchtigkeit innerhalb der Bohne soll verdunsten
Verkauf läuft über eine staatliche Einrichtung
Schlechte Bohnen werden aussortiert, um die bestmögliche Qualität zu gewährleisten. Dann werden sie in Jutesäcke verfrachtet. In Ghana müssen die Bauern an das staatlich geregelte „Cocobod“ verkaufen. Die Bauern sollen vor zu niedrigen Preisen geschützt werden, diese vermissen aber Transparenz
Europa und USA sind die größten Abnehmer
Die sortierten Bohnen werden dann verschifft und dort zu Schokolade verarbeitet – überwiegend in Europa und
in den USA. Klimaextreme wie Dürren, Starkregen und Überflutungen wirken sich allerdings negativ auf die Produktionsmenge und Qualität aus
Wirtschaftskrise
Das ist auch bitter nötig. Die Zeiten sind hart, die Herausforderungen zahlreich. Die Inflation in Ghana lag im Oktober bei 22,1 Prozent (in Österreich liegt sie unter 2 Prozent). Das Land kämpft gegen die größte Wirtschaftskrise seit Generationen.
Die EU-Entwaldungsverordnung, die strengere Auflagen für Importe beinhaltet, bringt einen höheren bürokratischen Aufwand mit sich. Zudem führt die Klimaerwärmung zu erheblichen Einbußen bei der Kakaoproduktion. „Die Anzahl der schwarzen Schoten auf den Bäumen hat mich erschreckt – auch bei den gut gemanagten Plantagen“, zeigt sich Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade Österreich, besorgt. Der Regen hätte im Juni und Juli kommen sollen, stattdessen fiel er im September, hört man nicht nur einmal auf der Reise. Schlecht für den Kakao.
Und fällt die Ernte schlecht aus, ist das für die betroffenen Farmer mitunter existenzbedrohend. Der durchschnittliche Kakaobauer in Ghana besitzt zwischen zwei bis vier Hektar Land, pro Hektar kann man mit etwas weniger als einer Tonne Ertrag pro Jahr rechnen. Der von Fairtrade garantierte Mindestpreis pro Tonne beträgt 2.400 Euro (plus 240 Prämie, die der Kooperative für Projekte zur Verfügung gestellt wird).
Alternatives Einkommen
Die Menschen müssen also vermehrt auf andere Einkommensquellen zurückgreifen. Die Frauen der Kurkuom Cooperative backen darum Brot. Stolz zeigen sie die Backformen her. Hergestellt wird alles von Hand, gemeinsam sparen sie derzeit für eine Knetmaschine, damit sie ihre Produktion steigern können.
Um das eigene Leben an den Klimawandel anzupassen, dafür sei Bildung essenziell, sagt Wolfgang Lutz. Der Forscher ist jüngst mit dem dem höchstdotierten Bildungspreis der Welt ausgezeichnet worden. Sie beeinflusse, wie sehr eine Gesellschaft Risiken aus dem Weg geht, wie man nach einer Katastrophe agiert und wie sehr die Bevölkerung gewillt ist, das Verhalten anzupassen.
Das beste Beispiel dafür ist Constance. Sie ist 17 Jahre alt, hat sich ebenfalls für eine Teilnahme an der „Women's School of Leadership“ entschieden und sich dabei auf Wissenschaft spezialisiert: „Mit meinen Biologiekenntnissen will ich meiner Familie helfen, die Pflanzen resistenter zu machen“, erklärt sie ihre Motivation. Schulen sind ein wichtiger Faktor, um zu verhindern, dass Kinder am Feld arbeiten müssen. „Vor der Ausbildung habe ich nichts über Rechte gewusst“, gibt Dora zu. Mittlerweile habe sie selber für Kinderbetreuung gesorgt – 135 Kinder zwischen zwei und neun Jahren werden in ihrer eigenen kleinen Schule versorgt. Die Idee sei ihr übrigens gekommen, weil sie um die eigenen spielenden Kinder am Feld, mit allen dort lauernden Gefahren, besorgt war.
„Man hat immer die Macht, etwas zu verändern“, sagt Dora. Was in Österreich meist wie ein abgedroschener Kalenderspruch klingt, bekommt hier in Ghana, inmitten der Lehmhütten und geringerer Möglichkeiten, plötzlich ein Gesicht.
Die Reise erfolgte auf Einladung von Fairtrade.
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