Kärnten: Glyphosat im Beeren-Dorado

Weggabelung. Am Tilly-Grundstück (rechts) wurde Glyphosat eingesetzt
Anrainer und Waldbesucher sind verunsichert, Besitzer will dosiert vorgegangen sein.

"Man rechnet mit vielem, wenn man einen Spaziergang bei Linsenberg macht. Aber sicher nicht, hier Himbeeren zu entdecken, die das 500-fache des erlaubten Werts von Glyphosat aufweisen. Ich habe wohl selbst dieses Gift konsumiert", zeigt sich Alfred Spanschel, der in Pischeldorf (Bezirk Klagenfurt Land) stets Beeren und Pilze sammelt, geschockt.

In diesem Wald hat die Umweltorganisation Greenpeace horrende Mengen des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat in Beeren, Pilzen, Blättern und in der Erde gefunden. Die Werte von Glyphosat (steht laut Weltgesundheitsorganisation WHO im Verdacht, krebserregend zu sein; auf Waldflächen darf es prinzipiell eingesetzt werden), sind so hoch, dass ein Kleinkind die erlaubte Tagesdosis bereits beim Verzehr von fünf Beeren erreichen würde.

"Hunderte Kinder sind hier über den Sommer unterwegs gewesen. Der Berg gilt als Dorado für Pilz- und Beeren-Sammler", erzählt jener Anrainer, der Greenpeace auf den Plan gerufen hat. "Das Land habe ich am 21. September informiert, da sah niemand Handlungsbedarf. Also habe ich mich an Greenpeace gewandt, die haben Anfang Oktober Proben gezogen." Der Landwirt berichtet, dass am 21. September sieben Tankwagen im Einsatz gewesen seien, um Glyphosat zu versprühen. Namentlich will er nicht genannt werden, weil der Waldbesitzer kein Unbekannter ist: Gerd Tilly, Sohn des Holz-Großindustriellen Hans Tilly, dessen Familie Tausende Hektar Wald besitzt. "Ja, ich habe zur fraglichen Zeit verwachsene Flächen in meinem Wald mit Glyphosat besprüht. Das Mittel wurde sogar extrem verdünnt", betont Tilly Junior, der bei Poggersdorf 117 Hektar Wald besitzt. Wie groß die Fläche war, die er mit dem Unkrautvernichtungsmittel behandelt hat und wie viel Glyphosat verwendet wurde, wisse er nicht.

Einsatz untersagt

Das Büro von Umweltminister Andrä Rupprechter verweist auf den Umstand, dass von Beginn der Beerenblüte bis zur Beerenernte bei diesen Waldfrüchten kein Glyphosat eingesetzt werden dürfe. "Davon wusste ich nichts, aber Ende September ist die Ernte sowieso erledigt", entgegnet Tilly. Dem widerspricht Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace: "Die Beeren waren erst Anfang Oktober essreif."

Die hohe Glyphosat-Konzentration stellt indes Umweltmediziner Hans-Peter Hutter vor ein Rätsel. "Möglicherweise haben wir die Halbwertszeit von Glyphosat falsch eingeschätzt", mutmaßt er. Die Werte seien ein "Alarmsignal", auch wenn der Konsum über einen kurzen Zeitraum keine Langzeitschäden zur Folge habe.

Das Land und die Bezirkshauptmannschaft sind bemüht, die Wogen zu glätten. "Wir haben das Grundwasser im betroffenen Wald getestet und keine Auffälligkeiten gefunden", teilt Harald Tschabuschnig von der Umweltabteilung mit. "Weitere Beprobungen sind angeordnet", fügt Bezirkshauptmann Johannes Leitner hinzu.

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