Justiz spioniert 18.000-mal im Jahr

Überwachungsmaßnahmen und ihr Ergebnis
Nur jedes sechste Verfahren, in dem Verdächtiger technisch durchleuchtet wird, führt zu Verurteilung.

Mitten in die Debatte um das von der ÖVP vorgeschlagene "Sicherheitspaket" mit mehr Möglichkeiten zum Ausspionieren platzt die Auswertung der bisher durchgeführten Überwachungsmaßnahmen. Und es zeigt sich: Obwohl es immer mehr Hausdurchsuchungen, Telefon- und Nachrichtenüberwachungen sowie Lauschangriffe gibt, kommen dabei immer seltener Verurteilungen der überwachten Verdächtigen heraus. Das geht aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen durch Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hervor.

Dabei wurde aufgelistet, wie viele besondere Ermittlungsmaßnahmen die Anklagebehörden in den Jahren 2008 bis 2016 beantragt haben und wie viele vom Gericht bewilligt wurden. Im Vorjahr gab es rund 18.000 Überwachungen. Dazu gehören bei der Bank eingeholte Auskünfte über Kontobewegungen, DNA-Untersuchungen, Abfragen über Telefonate und Nachrichtenübermittlungen bei Mobilfunk-Betreibern, Hausdurchsuchungen sowie optische und akustische Lauschangriffe.

Den Löwenanteil machen die Handy-Überwachungen mit über 8000 aus; seit 2008 haben sie sich verdoppelt.

Justizminister Brandstetter verweist darauf, dass sich der Gesamtanstieg der Ermittlungsmaßnahmen mit rund fünf Prozent ohnehin in Grenzen halte und darauf zurückzuführen sei, dass die Extremismus-Strafsachen und die Computerkriminalität zugenommen hätten. Der Ressortchef konstatiert eine mit Augenmaß vorgenommene Anwendung der von den Staatsanwälten bei Gericht beantragten Schritte.

Gut begründet

Die Gerichte genehmigen die allermeisten Anträge der Anklagebehörden, wie sich zum Beispiel bei der Auskunft über Nachrichtenübermittlungen zeigt: Im Vorjahr hielten die Staatsanwälte das 5276 Mal für notwendig, in 5225 Fällen wurde es vom Gericht genehmigt.

Will man nicht unterstellen, dass die Richter die Ansinnen der Staatsanwälte ungeprüft durchwinken, dann waren die Anträge in der Regel wohl fundiert begründet.

Die Grünen wollten auch wissen, was in all den mit einschneidenden Mitteln des Ausspionierens durchgeführten 18.000 Strafverfahren am Ende herauskommt. Und dabei zeigt sich: Die Justiz erreicht damit in immer weniger Fällen eine Verurteilung der überwachten Personen (2813 Mal). Von allen Verfahren, in denen ein Verdächtiger abgehört, durchsucht oder durchleuchtet wurde, endete 2016 nur jedes sechste mit einer Verurteilung.

Von 3031 Verfahren, die im Vorjahr unter Zuhilfenahme einer Nachrichtenüberwachung durchgeführt wurden, führten 496 zu einer Verurteilung. 2015 waren es 2920 Verfahren mit 774 Verurteilungen.

Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grünen, sagt zum KURIER: "Die jüngsten Zahlen aus dem Justizministerium sind alarmierend." Wobei von dort im März noch andere Zahlen ausgeschickt wurden und man betonte, die Zahl der Verurteilungen würde steigen.

Anwendungspraxis

Steinhauser konstatiert hingegen: "Die Schere zwischen Überwachungsmaßnahmen und Verurteilungen geht immer weiter auseinander. Natürlich kann im Einzelfall die Sinnhaftigkeit einer Überwachungsmaßnahme nicht immer an einer späteren Verurteilung abgelesen werden. Dass aber flächendeckend immer mehr Überwachungsmaßnahmen immer weniger Verurteilungen gegenüberstehen, stellt einen kriminalpolitischen Supergau dar. Das lässt auch das sogenannte Sicherheitspaket in einem vollkommen neuen Licht erscheinen." Anstatt immer neue Überwachungsmaßnahmen zu beschließen, solle man sich Gedanken über die Anwendungspraxis der bestehenden machen.

Im Justizministerium wird darauf verwiesen, dass zahlreiche 2016 angefallene Strafverfahren mit besonderen Ermittlungsmaßnahmen noch nicht abgeschlossen sind und daher in der Erledigungsbilanz nicht mitgezählt werden können. Außerdem komme es zu Mehrfachzählungen, wenn gegen einen Verdächtigen mehrere Überwachungsmaßnahmen gesetzt werden.

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