Junglehrer bangen um ihren Abschluss
Für rund 650 Lehramtsstudierende an der Uni Wien geht es momentan um ihre berufliche Zukunft und die Frage, ob sie jemals über den Rahmen eines Praktikums hinaus unterrichten werden – oder kurz vor dem Abschluss scheitern.
Hintergrund ist die Umstellung auf das Bologna-System (siehe Kasten unten). Wer heute das Studium aufnimmt, beginnt bereits im Bachelor. Es gibt aber auch noch diejenigen, die im „alten“ Diplomstudium begonnen haben. Sie müssen bis 30. April abschließen, andernfalls werden sie auf den neuen Studienplan umgestellt – mit beträchtlichen Zeitverlusten, müssten doch zahlreiche Kurse nachgeholt werden.
Eine von ihnen ist die 25-jährige Sarah Wassermann. Die angehende Geschichte- und Deutsch-Lehrerin kassierte mehrere Absagen, bevor sie endlich eine Betreuerin für ihre Diplomarbeit fand. Jetzt ist die Zeit knapp – und was sie tun wird, wenn sich der Abschluss wie befürchtet nicht ausgeht, weiß sie noch nicht. Für andere wäre das das Ende ihres Lehrer-Werdegangs, weil sie sich diese Verzögerung finanziell nicht leisten könnten.
Ende April ist Schluss
In Wien gilt dabei die kürzeste Übergangsfrist. Andere Unis geben ihren Studierenden länger Zeit. Bewusst, wie ein KURIER-Rundruf ergab: Bei der Umstellung in den Bachelor ergebe sich ein beträchtlicher Mehraufwand, darum versuche man, möglichst tolerant zu sein, heißt es aus mehreren Fakultäten. In Klagenfurt kann das Diplomstudium etwa noch bis 2022 abgeschlossen werden.
Ursprung
Unter dem Bologna-Prozess wird die europaweite Vereinheitlichung von Studiengängen und Abschlüssen verstanden, die im Jahr 1999 in der norditalienischen Stadt beschlossen wurde
Unterschied
Bologna-konforme Studien gliedern sich in einen Bachelor, einen darauf aufbauenden Master und anschließend einen PhD (Doktorat). Vor Bologna gab es die erste Stufe, also den Bachelor, nicht - der Magister war der niedrigste akademische Abschluss
Übergang
An der Uni Wien wurden mittlerweile beinahe alle Studien auf das Bologna-System umgestellt. Auslaufende Studienpläne werden immer mit einer Übergangsfrist versehen, innerhalb derer das Studium noch abgeschlossen werden kann. Wer das nicht schafft, wird automatisch in das neue System umgestellt
Die Universität Wien argumentiert hingegen, die Studierenden wüssten seit der Einführung des neuen Studienplans 2014 Bescheid, das wäre auch klar kommuniziert worden. Zudem hätte man „umfangreiche Maßnahmen“ wie etwa Schreibtrainings gesetzt, um einen zeitgerechten Abschluss zu ermöglichen.
Mangelhafte Rahmenbedingungen
Für die betroffenen Studierenden wie Sarah ist das jedoch keine Hilfe, lägen die Probleme doch woanders. Sie erzählen von chaotischer Organisation, nur ein Mal pro Jahr statt ein Mal pro Semester angebotenen Kursen und der erwähnten, mühseligen Suche nach einem Diplomarbeitsbetreuer. Eine Umfrage im Jänner ergab, dass fast ein Drittel der Studierenden wie Sarah von mehreren Betreuern abgelehnt wurde.
Fazit: Ein Abschluss bis April sei kaum zu schaffen, sagt sie. Dabei fehlten 85 Prozent der Betroffenen nur mehr die Abschlussarbeit und maximal zwei Prüfungen - auch das ein Ergebnis der Umfrage.
Die Studierenden wünschen sich daher eine Verlängerung bis September, das würde einem Großteil bereits helfen. Rechtlich sei das möglich, so das Ergebnis eines eigens in Auftrag gegebenen Gutachtens (siehe Faksimile unten). Man sei auch an die Hochschülerschaft (ÖH) mit der Bitte um Unterstützung herangetreten, dort jedoch nur vertröstet worden – was die ÖH energisch bestreitet.
Dabei hätte eine Verlängerung nur Vorteile, wie Protestorganisatorin Anna Baumgartner (26) ausführt: Der Arbeitsmarkt bekäme dringend benötigte Lehrkräfte, die Universität und damit die öffentliche Hand würden sich ohnehin knappe Ressourcen und die Studierenden sich weiteren Frust ersparen.
Die Uni scheint jedoch hart zu bleiben. „Nach derzeitigem Stand der Planung ist eine Verlängerung nicht vorgesehen“, sagt eine Sprecherin zum KURIER.
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