Jugendbanden: "Die Herkunft hat damit nichts zu tun"

Jugendbanden: "Die Herkunft hat damit nichts zu tun"
Kriminelle Handlungen sind laut Experten keinem Jugendlichen fremd. In ärmeren Gegenden fehle den Teenagern Unterstützung.

Die Wiener Polizei fahndet derzeit mit Bildern nach mehreren Jugendlichen, die ihre Opfer brutal zusammengeschlagen haben sollen. Teils griffen sie laut Exekutive scheinbar grundlos andere junge Männer an und traten sie gegen den Kopf. Auslöser waren Versuche, Handys oder Bargeld zu rauben.

Die Brutalität, mit der die jungen Menschen vorgingen, war übermäßig groß im Vergleich zur Beute. Die unverhältnismäßige Gewalt erklärt der Experte Nikolaus Tsekas damit, dass diese Handlungen meist im Affekt passieren.

Tsekas leitet den Verein Neustart in Wien, der sich mit der Resozialisierung von Kriminellen beschäftigt. Er sagt, dass es meist die schwächeren Mitglieder einer "Bande" seien, die am aggressivsten vorgehen. "Sie fühlen sich dann in der Gruppe stark, können sich dadurch profilieren." Krimineller oder brutaler als früher würden junge Menschen aber nicht sein.

Aus Gesprächen mit Jugendlichen weiß ich, dass diese Taten nicht geplant sind. Sie entstehen aus einer Emotion heraus. Vielleicht, weil sich die Jugendlichen provoziert fühlen und damit nicht umgehen können, oder weil sie sich in einer Gruppe vor den anderen beweisen wollen.

von Nikolaus Tsekas

Leiter Verein Neustart Wien

Jeder hat das Potenzial

Laut Tsekas hat fast jeder in seiner Jugend irgendwelche verbotenen Dinge getan, weil es zum Heranwachsen gehöre, Grenzen auszuloten. "Bei dem einen bleibt es eben bei einem Ladendiebstahl. Wenige sind aggressiv. Das hat aber nichts mit der Herkunft oder einem Migrationshintergrund zu tun. Vielmehr sind es die finanziellen Möglichkeiten des Umfelds", so Tsekas.

Jeder würde gerne Unternehmungen in seiner Freizeit machen. Fehlen die finanziellen Möglichkeiten, treffen sich junge Menschen eher an Orten, wo es "wenig zu tun" gibt. Dadurch würde man eben schneller auf dumme Ideen kommen, als wenn man sich einen Kinobesuch leisten könne.

Die jungen Menschen haben keine Lobby, keinen Rückhalt. Wenn etwas passiert ist, kommt man ohne reiche Eltern schneller in U-Haft, als wenn sich Vater oder Mutter gleich einen guten Anwalt leisten können.

von Nikolaus Tsekas

Leiter Verein Neustart Wien

Polizei sucht Lösungen

Laut Polizei sei es logisch, dass Bereiche mit hoher Populationsdichte, wie große Wohnanlagen, eine hohe Kriminalitätsdichte mit sich bringen. Die Herkunft von Jugendlichen hätte damit nichts zu tun: "Dass sich Ethnien, die sich in einem fremden Land aufhalten, zusammenschließen, ist kulturell und soziologisch selbstverständlich und geschieht überall bei sämtlichen Nationalitäten und Ethnien. Eine kriminelle Handlung geschieht aber nicht wegen des Zusammenschlusses", sagt Pressesprecher Harald Sörös.

Im Moment sind die Polizei und die Stadt Wien dabei, Projekte gegen Jugendkriminalität zu schaffen. Bald will man mit den Neuerungen an die Öffentlichkeit gehen.

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