Naturkatastrophen: "Es gibt keine Region in Österreich, die es nicht betrifft"

Windwurf an Brennerautobahn / Schwere Unwetterschäden
Die Schäden durch Naturkatastrophen in Österreich betragen mittlerweile eine Milliarde Euro jährlich. Versicherte müssen mit Prämienerhöhungen von bis zu 25 Prozent rechnen.

Extremwetterereignisse nehmen im Zuge des Klimawandels zu. Hagel, Dürre, Sturm, Starkregen und Hochwasser verursachen immense Schäden in Österreich. In Bergregionen werden zudem Wälder – und damit natürliche Schutzwälle – stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Versicherer Helvetia unterstützt in Österreich und anderen alpinen Ländern die Wiederaufforstung. Werner Panhauser, Österreich-Vorstand für Vertrieb und Marketing, weiß, dass das alleine nicht reicht, um Schäden im großen Stil zu verhindern. Er plädiert für eine bundesweite Pflichtversicherung zur Naturkatastrophenvorsorge.

KURIER: Aus welchem wirtschaftlichen Hintergrund heraus engagiert sich Ihr Unternehmen für die Aufforstung von Schutzwäldern?

Werner Panhauser: Wenn man auf diese kleinen Regionen blickt, in denen wir etwas tun können, lässt sich eigentlich kein wirtschaftlicher Grund abbilden. Da geht es mehr um soziale Verantwortung und darum, zu zeigen, dass Prävention wichtig ist. In den letzten zwei, drei Jahren sind uns ja allen diese Starkregenereignisse aufgefallen. Baumkronen wirken wie ein Schutzschirm und fangen ein Drittel des Niederschlags ab. Außerdem halten Wurzeln den Boden fest und verhindern Hangrutsche.

Der Wald erfüllt vor allem in alpinen Regionen sehr viele Schutzfunktionen – vor Muren, Lawinen, Steinschlag oder Starkregen. Wie gefährdet ist dieses natürliche Schutzsystem in Österreich?

Wir betrachten es als sehr, sehr, sehr gefährdet. Umgeschnitten oder von einem Sturm umgerissen ist der Wald schnell, wachsen tut er langsam. In Kärnten wurden zum Beispiel vom Sturm so viele Flächen kahlgerissen, dass selbst die Bundesforste und Gemeinden an ihre Grenzen stoßen. Gleichzeitig sieht man in Österreich, dass die Steinschlaggefahr zunimmt.

In alpinen Regionen sind teilweise bis zu 80 Prozent des Walds Schutzwald. In Osttirol etwa haben Sturm, Schneebruch und zusätzlich dann auch noch Borkenkäfer ganze Wälder flachgelegt. Glauben Sie, dass über kurz oder lang Orte abgesiedelt werden müssen?

Im Rahmen unseres Engagements ist mir noch keine Gemeinde bekannt, wo solche Szenarien drohen. Aber es gibt Gemeinden, wo Felsen geordnet abgetragen werden müssen oder in gewissen Teilen nichts mehr gebaut werden darf beziehungsweise Schutzbauten errichtet werden müssen.

Werner Panhauser / Helvetia Österreich

Werner Panhauser / Helvetia Österreich

Die Schäden durch Naturkatastrophen machen bereits jährlich eine Milliarde Euro in Österreich aus. Spüren Sie das in Ihren Bilanzen?

Ganz klar. Das Jahr 2024 etwa war wirtschaftlich in Ordnung – bis zum September, wo das Hochwasser und der Regen in Ostösterreich das Bilanzergebnis aller in dieser Region tätigen Versicherer im wahrsten Sinn des Wortes weggespült hat. Das Thema Naturkatastrophen spielt für uns alle eine große Rolle. Und wir müssen profitabel wirtschaften, um unsere Mitarbeiter bezahlen und unseren Unternehmenszweck erfüllen zu können.

Was heißt das konkret für die Versicherten?

Wir haben in Europa immer noch relativ niedrige Prämien bei der Eigenheimversicherung. Anders als in Teilen der USA findet insbesondere in Österreich jeder, der sein Haus versichern will, einen Versicherer. Wenn es uns gelingt, das Prämienniveau insgesamt auf ein auskömmliches Niveau zu bringen, wird das auch weiterhin so sein.

Müssen die Österreicher vor dem Hintergrund von sich häufenden Unwettern also mit höheren Beiträgen rechnen?

Ich sehe eine mittelfristige Erhöhung um 20 bis 25 Prozent als unausweichlich. Denn die 100-jährigen Hochwasser haben wir nicht mehr alle 100 Jahre, sondern alle vier bis acht Jahre. Und lokale Unwetterereignisse haben wir jedes Jahr und überall.

Darum brauchen wir ein bisschen ein höheres Prämienniveau, damit man solche Ereignisse als Unternehmen aushält und weiterhin alle Österreicher versichert werden können. Es gibt keine Region, die von solchen Ereignissen ausgenommen ist. Vor einigen Jahren hatten wir zum Beispiel in Oberösterreich sehr viel Hagel, jetzt in Niederösterreich das Thema Überschwemmung oder im südlichen Österreich vor einiger Zeit das Thema Sturm.

Was halten Sie von der bereits debattierten Idee einer Pflichtversicherung für Naturkatastrophen, bei der jeder mitzahlen muss, auch wenn er vielleicht in einer Mietwohnung lebt?

Wenn Sie mich persönlich fragen, halte ich sehr viel davon. Es macht schon Sinn, die Gemeinschaft möglichst groß zu machen, um das Risiko zu verteilen. Wir haben das als Versicherer schon mal ausgerechnet. Wenn die Menschen flächendeckend in Österreich zehn bis 20 Euro pro Jahr für so eine Versicherung bezahlen, können wir ganz andere Entschädigungen leisten, wenn etwas passiert.

Aber hier scheitert es noch an der Umsetzung. Da haben Bundesparteivorsitzende vermutlich Angst, dass sie der Herr Müller im sechsten Stock in Wien-Ottakring nicht mehr wählt, weil er zwangsverpflichtet wird, für etwas zu zahlen, das ihm nicht passieren wird.

Extremwetterereignisse können mitunter verheerend sein, die Schauplätze verteilen sich aber eben doch über ganz Österreich. Denken sich da viele vielleicht: Was geht mich das an?

Das spielt vermutlich eine Rolle, dass es immer noch viele gibt, die sich nicht betroffen fühlen, weil sie so wohnen, dass sie auch nie betroffen sein werden. Das ändert aber nichts daran, dass wir eine große Menge an Menschen haben, die durch solche Ereignisse bedroht sind. Ich bin überzeugt, dass man so eine Versicherung so aufsetzen könnte, dass es dem Einzelnen nicht wehtut, aber man der Familie, der das Haus davonschwimmt oder der das Haus vom Sturm weggerissen wird, wirklich helfen könnte. Die Naturkatastrophen werden mehr und nicht weniger. Wir sollten deshalb eine bundesweite Basisversorgung entwickeln.

Aktuell wird wieder über das Klimagesetz diskutiert – und ob darin die Klimaziele oder der Weg dorthin verwässert werden. Hat die Politik erkannt, was durch den Klimawandel auf uns zukommt beziehungsweise was bereits Realität ist?

Politiker sein ist auch nicht so einfach. Ich bin der Letzte, der sagt, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa aufs Spiel setzen sollen. Dann fehlt uns insgesamt das Geld für alles, was wir brauchen. Da vertraue ich der Politik, dass sie in der Lage ist, zu differenzieren. Ich habe also nichts dagegen, wenn man sich das Gesetz noch einmal anschaut.

Kommentare