Irgendwie ist ja alles noch da. Der große, weiß gestrichene Frühstückssaal, der eher den Namen Salon verdient hätte, die elegante Treppe. Der Speiseraum mit dem Brunnen, die alten, schönen Luster. Wer durch das Kurhaus am Semmering geht, kann dessen Glanzzeit noch immer erahnen.
Keine fünf Minuten brauchte auch Florian Weitzer, um zu wissen: Ja, das muss sein. „Als ich das Haus gesehen habe, war’s mit mir vorbei“, beschreibt der 45-Jährige aus der gleichnamigen Grazer Hoteliersdynastie. Er betreibt etwa das Hotel Daniel in Graz und Wien und das Grand Ferdinand an der Wiener Ringstraße „Das Haus besitzt Charme, eine Aura, Kunst, Kultur. Das ist ein geschichtsträchtiger Ort“, sagt er über den Bau in den Wiener Alpen.
Es war vor vier Jahren, als er das Haus erblickte. Seither haben Weitzer und sein Kollege in der Geschäftsführung der fünf Weitzer-Hotels, Michael Pfaller, an der Übernahme des Kurhauses am Semmering gearbeitet.
Nicht leicht
Das war nicht leicht, der Eigentümer ein kasachisches Konsortium saß Tausende Kilometer entfernt. „Das Gegenüber war für uns nicht einschätzbar“, beschreibt Florian Weitzer. „Es war für uns bis zur letzten Sekunde unklar, ob das überhaupt was wird. Bis kurz vor dem Abschluss haben wir nicht gewusst, ob es klappt.“ Vor ein paar Wochen dann wurde der Kauf besiegelt und „jetzt sind wir vor allem glücklich, dass es geklappt hat“, sagt Weitzer schlicht und freut sich.
Sechs Mal sei er seither durch das Hotel am Semmering gegangen. „Davor bin ich schon öfter allein gestanden.“ Über Investitionen und Kaufpreis schweigt der Unternehmer, über seine Pläne für das Haus auch. Letzteres allerdings nicht, weil er keine Ideen preisgeben wollte. Sondern bloß, weil er selbst noch nicht weiß, was da am Semmering unter seiner Leitung entstehen wird. „Wir sind keine Hoteliers, die schon beim Kauf einen Businessplan haben“, beschreibt Weitzer. „Ich kann noch nicht sagen, was geplant ist, ich kann nicht sagen, was in fünf Jahren sein wird.“
Eines kann Weitzer aber dennoch schon für das Kurhaus ausschließen: „Wir sind keine Kettenhotelbetreiber. Es soll nicht das 7.261. Spa- und Wellnesshotel werden.“ Das fügt sich in die Philosophie der Weitzer-Häuser ein, deren Chef schon vor Jahren auf die obligate Sterne-Einteilung verzichtet hat.
„Schreib Fernrohr auf“
Die Region an der Grenze zu Niederösterreich als Ganzes scheint es dem Steirer aber angetan zu haben. „Das ist auf mehr als 1.000 Metern, man sieht dort bis in die Pannonische Tiefebene.“ Weitzer hält kurz inne. „Fernrohr haben wir noch keines. Bitte schreib Fernrohr auf“, sagt er zu seiner Assistentin.
Stil und Ausrichtung des Kurhauses unter neuer Leitung stehen noch nicht fest, ebenso wenig wie der Eröffnungstermin. Auch der Beginn der Umbauarbeiten ist nicht fixiert. Sie werden üppig ausfallen, das Kurhaus wurde jahrzehntelang nicht als Hotel genutzt. Das denkmalgeschützte Gebäude besticht zwar durch Bau und Geschichte, aber modernen Komfort hat das Haus aus dem frühen 20. Jahrhundert nicht. Nicht einmal eine Heizanlage gibt es im Kurhaus.
Der Chef will jedoch über sein eigenes Haus hinausdenken das sechste im Weitzer-Betrieb und erinnert an die anderen historischen Hotels, etwa das Südbahnhotel. „Das waren Häuser auf Toplevel. Ich bin kein Touristiker, sondern nur ein normaler Mensch. Aber ich frage mich, was ist da passiert?“
Vor dem Ersten Weltkrieg und der Zwischenkriegszeit war nämlich der Semmering mit seinen luxuriösen Hotels das erklärte Ziel der Prominenz, der Künstler, der Kulturschaffenden. Der Ort war damals auch unter der Jugend so en vogue wie heute beispielsweise Gastein hip. Warum und wann der Zauber des Semmering verloren ging, beschäftigt auch den Grazer Hotelier. „Aber das sind gute Voraussetzungen, jede Investition braucht so etwas“, beschreibt Weitzer. „Sonst wär’s ja nur ein Geschäft.“
Am Ende der Monarchie entstand am Semmering jenes Hotel, das mit dem Panhans und dem Südbahnhotel Gäste aus gehobenen Gesellschaftsschichten ansprach. 1909 errichtet, zog das Kurhaus am Semmering bekannte Persönlichkeiten wie Max Reinhardt, Arthur Schnitzler, Franz Werfel, Leo Slezak oder Jan Kiepura an.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Hotel zu einem Lazarett für hohe Wehrmachtsoffiziere. Danach war die sowjetische Verwaltung dort untergebracht, bis in die 1980er-Jahre diente es als Erholungsheim. In den 1990er-Jahren gab es Pläne für eine Neugestaltung als Gesundheitshotel, 2007 wurde es an ein kasachisches Konsortium verkauft.
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