Der lange Kampf einer Mutter

Alina und Mutter Christine Takatsch, Salzburg, Impfschaden
Nach der Polio-Impfung fing Alinas Leidensweg an. Keiner will schuld sein.

Alina ist ein besonderes Mädchen. Gerade hat sie sich das Schienbein gebrochen, sie kann nur liegen. Dazu kommt eine chronische Darmentzündung seit ihrem vierten Lebensjahr. Mit dem Reden tut sich die bald 16-Jährige schwer. „Man muss sie kennen, um sie zu verstehen“, sagt Mutter Christine Takatsch.

Krampfanfälle

Derzeit leidet ihre Tochter besonders unter dem Wetterumschwung. „Heuer ist das ganz extrem“, sagt die Mutter. „Letzte Nacht hatte sie gleich zwei Krampfanfälle.“

Alina braucht Betreuung rund um die Uhr. Christine Takatsch hat ihren Job aufgegeben, sie betreut ihr einziges Kind in ihrem Haus in Oberalm bei Hallein, Salzburg. Und sie kämpft gegen die Behörden. Denn sie ist überzeugt: Eine Impfung ist schuld am Gesundheitszustand ihrer Tochter. Seit 13 Jahren kämpft die Mutter um die Anerkennung eines Impfschadens.

Alina hatte einen schweren Start ins Leben. Schon vor ihrer Geburt wurde eine Genstörung festgestellt – sie würde kleinwüchsig sein und nie Kinder bekommen können. „Aber die Geburt ist gut verlaufen, sie hat sich gut entwickelt“, erinnert sich Takatsch. „Es gab keine äußerlichen Anzeichen einer Behinderung.“

Einzig auffällig: Das Mädchen war eben schon als Säugling kleiner als gleichaltrige Kinder. Und so wie üblich bekam Alina – trotz des geringen Gewichtes – ihre ersten Impfungen. Mit sechs Monaten wurde Alina gegen Polio geimpft. Und das änderte alles. Zwei Tage später bekam sie ihre ersten Krampfanfälle. Erst der Notarzt konnte helfen. Das kleine Mädchen wurde ins Spital gebracht. Doch die Untersuchungen lieferten kein Ergebnis.

Schlaganfall

Immer wieder folgten schwere Anfälle. „Sie war zehn Monate alt, als sie in einer Nacht gar nicht mehr aufgehört hat zu krampfen“, erzählt die Mutter. Nach drei Wochen im Krankenhaus die Diagnose: Alina hatte einen Schlaganfall erlitten. Seither leidet sie unter einer halbseitigen Lähmung.

Dass eine Impfung all das ausgelöst haben könnte, das stellten die Ärzte immer wieder in Abrede. „Aber mit 18 Monaten, bei der nächsten Impfung, hat sie wieder schwere Anfälle bekommen“, schildert Takatsch. Sie informierte sich, bekam ein Buch über Impfschäden in die Hand. „Darin war ein Fall geschildert, das hätte meine Tochter sein können“, sagt die ehemalige Beamtin.

Doch eine Anerkennung dieses Schadens ist schwierig. Die ersten Krampfanfälle bekam Alina zwei Tage nach der Polio-Impfung. Laut Gutachter treten mögliche Krämpfe aber erst ab dem dritten Tag auf. Im ersten behördlichen Anlauf wurde daher bei Alina kein Impfschaden festgestellt. Eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2006 gibt der kleinen Familie Hoffnung. Nun reicht es, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht. Seither kämpft die Familie Takatsch erneut vor Gericht um Entschädigung – diesmal mit Unterstützung von Anwalt Hans Kröppel.

Tapferes Mädl

90 Prozent Behinderung wurden bei dem Mädchen festgestellt. „Aber es gibt auch sonnige Momente“, sagt die Mutter. „Es ist grandios, was sie geleistet hat. Mit vier Jahren lag sie fünf Wochen im Tiefschlaf. Die Ärzte haben gesagt, dass sie es nicht überleben wird.“

Alina hat überlebt. Und sie trotzt dem Schicksal noch immer – obwohl sie mit 15 Jahren die Größe und das Gewicht einer Siebenjährigen hat. Sie geht gern in die Schule. „Aber in diesem Jahr war sie erst drei Tage dort“, erzählt ihre Mutter. Sie malt, macht leichte Puzzles. Und bei „Pippi Langstrumpf“ blüht sie richtig auf. „Sie ist ein tapferes Mädl“, sagt die Mutter.

Zehn Jahre hat die Familie Ungermann aus Hollenthon in der Bucklingen Welt für ihre Tochter Jessica gekämpft. Das Mädchen sitzt seit einer Hepatitis-B-Impfung im Rollstuhl, muss gewickelt und gefüttert werden und ist Epileptikerin. Doch zahlreiche Gutachter erkannten keinen Impfschaden – dem Rentenantrag wurde nicht stattgegeben. Nach der Gesetzesnovelle (siehe oben) nahm die Familie mit Anwalt Hans Kröppl den Behördenkampf erneut auf. Und gewann.

KURIER: Herr Kröppl, wie ging es im Fall Ungermann weiter?

Es wurde wieder ein neuer Sachverständiger bestellt – und zwar ein scharfer Impfbefürworter. Ein Impfschaden wurde von ihm für unwahrscheinlich erachtet. Er vertrat die Ansicht, dass die bei Jessica eingetretene ADEM (akute disseminierte Enzephalomyelitis) von einem nicht identifizierten Erreger verursacht worden wäre. Die Bundesberufungskommission hat neuerlich negativ gegen Jessica entschieden. Dagegen habe ich wieder eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben, die Entscheidung wurde aufgehoben, ein neuer Gutachter bestellt. Der hat festgestellt, dass ADEM eine kausale Impfschädigung darstellt. 2012 wurde der Impfschaden anerkannt.

Der Fall Takatsch gestaltet sich ähnlich?

Schon 2001 haben die Eltern um Impfentschädigung angesucht. Doch die Sachverständigen haben haben die Genstörung als Verursacher gesehen. Nach Änderung des Impfschadengesetzes habe ich dann mit den Eltern um Entschädigung angesucht.

Wie stehen die Chancen?

In erster Instanz wurde negativ entschieden. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Entscheidung wieder aufgehoben. Ein Gegengutachten wurde vorgelegt, und dagegen wieder ein Gutachten. Man sieht, die Angelegenheit gestaltet sich sehr ähnlich. Ich hoffe, dass die Familie auch den langen Atem hat.

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