Immer mehr Klagen nach Skiunfällen

Rechtsschutzversicherungen machen den Prozessweg leichter zugänglich
Nach Verletzungen auf der Piste gehen Skifahrer zunehmend vor Gericht gegen Liftgesellschaften vor.

Es war ein tragischer Unfall: Am 15. Februar 2013 stürzt ein Einheimischer im Vorarlberger Skigebiet Silvretta/ Montafon bei der Talabfahrt vom Hochjoch. Er landet in den Bäumen neben der Piste und wird schwer verletzt. Vor Kurzem wurde die Schadenersatzklage des Mannes gegen die Seilbahngesellschaft vom Obersten Gerichtshof (OGH) abgewiesen.

Der OGH kam wie die Instanzen zuvor zum Schluss, dass dem Skigebiet keine Verletzung der Sicherungspflicht anzulasten ist. Daran ändert laut OGH auch die Tatsache nichts, dass es im Unfallbereich seit 2002 zwei tödliche Unfälle gab. Vielmehr habe der Kläger eine riskante Fahrlinie gewählt.

Die Frage, ob die Piste nicht schwarz (schwer) statt rot (mittelschwer) markiert sein müsste, spielt laut OGH in diesem Fall keine Rolle. Diesem Umstand komme "schon deshalb keine Bedeutung zu, weil dem Kläger das Skigelände einschließlich des fraglichen Streckenabschnitts gut bekannt war", heißt es.

Für den Dornbirner Rechtsanwalt Alexander Wittwer, der das Skigebiet in dem Fall vertreten hat, zeigt der Spruch: "Die Eigenverantwortung wird vom OGH noch hoch bewertet. Und das ist gut so." Denn in den vergangen Jahren würden Skifahrer nach Pistenunfällen immer öfter den Rechtsweg gegen Liftbetriebe einschlagen.

"Es ist ein Trend zu beobachten. Klagen ist einfacher geworden. Viele sind rechtsschutzversichert und treiben das auf die Spitze", erklärt der Vorarlberger. Das sei auch im konkreten Fall so gewesen. "Der Kläger wurde bei einer kleinen Unebenheit von ein paar Zentimetern Höhe unglücklich ausgehoben." Um die Piste so zu sichern, wie der Mann sich das gewünscht hätte, müssten laut Wittwer entlang der Abfahrt sieben Kilometer Zaun aufgezogen werden. "Denn da gibt es überall Bäume", sagt der Anwalt, der beruflich oft mit Klagen nach Skiunfällen zu tun hat.

Der Fall Schumacher

Die Natur ist kein Freizeitpark. Gefahren lassen sich im alpinen Gelände nicht zu hundert Prozent ausschalten. Trotzdem entflammen nach schweren Skiunfällen immer wieder Debatten über Sicherungsmaßnahmen und Aufsichtspflichten. Das war auch nach dem tragischen Sturz von Ex-Formel-1-Star Michael Schumacher so.

Als der Deutsche 2013 im französischen Méribel direkt neben der Piste in unpräpariertem Gelände mit dem Kopf gegen einen Stein prallte und ein schweres Schädel-Hirn-Trauma davontrug, wurde ebenfalls die Frage laut: Hätte der Bereich, in dem nur wenig Schnee über den Felsen lag, nicht abgesperrt sein müssen?

"Man kann nicht die ganze Natur absperren", sagte schon damals Österreichs Seilbahn-Sprecher Franz Hörl im KURIER-Interview. Auch er weiß um die Klagswut nach Pistenunfällen. "Es ist gang und gäbe, dass die Leute versuchen, einen Teil der Verantwortung nach einem Unfall abzugeben", erklärt der Zillertaler. Unfallopfer würden sich oft zunächst noch bedanken, wie gut die Pistenrettung gearbeitet hat. "Und dann kommt die Klage. Die Gesellschaft wird immer amerikanisierter", sagt Hörl in Anspielung auf die in den USA gängigen Schadenersatzprozesse nach Unfällen.

Hannes Parth, Vorstand der Ischgler Seilbahnen im Tiroler Paznauntal, sieht es nicht ganz so dramatisch: "Wir haben jedes Jahr ein bis zwei Prozesse." Auch er ist froh, dass die österreichische Rechtssprechung großen Wert auf Eigenverantwortung legt.

Anwalt Wittwer beobachtet jedoch auch einen gegenläufigen Trend: "Der OGH ist strenger geworden, wenn es um Absicherungspflichten außerhalb der Piste geht." Wenn etwa Variantenfahrer in einem häufig frequentiert Bereich unterwegs sind, kann selbst dort das Seilbahnunternehmen bei der Absicherung von Hindernissen in die Pflicht genommen werden.

Vollkasko-Mentalität

Bergretter und Alpinpolizisten beklagen in den vergangenen Jahren immer öfter eine gewisse Vollkasko-Mentalität bei Freizeitsportlern. "Das unterschreibe ich", sagt Wittwer, der selbst auch Bergretter ist, zu diesem Befund.

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