Der Fahrer startet vom 23. Wiener Gemeindebezirk seine Tour, die Chance ist groß, dass er auf seinem Weg in einen der großflächigen Bezirke auf der linken Donauseite im Stau steht, schildert Pokorny. „Wenn er es endlich in den 21. oder 22. Bezirk geschafft hat, ist es bereits halb zehn und er hat noch kein einziges Packerl ausgeliefert.“
Für Zusteller gibt es leichteres und schwierigeres Terrain in einer Großstadt wie Wien. Und es gibt auch sogenanntes „Horrorterrain“, berichtet Pokorny. Dazu zählt z. B. die Seestadt Aspern. „Die Ladezonen sind nicht in der Nähe der Wohnblöcke, die Lieferwägen müssen oft irgendwo am Straßenrand geparkt werden.“ Und damit beginnt der Eiertanz mit den „Parksheriffs“. Steht der Wagen am Gehsteig, droht eine Strafe von 36 Euro. Tritt der Fall ein oder gar zwei Mal ein, ist der Fahrer den Tag schon so gut wie umsonst gefahren, denn bei seinem niedrigen Einkommen bleiben nach dem Abzug von 36 oder 72 Euro nicht mehr viel übrig.
Er hat noch eine zweite Möglichkeit, aber die ist auch nicht viel verlockender. Er parkt in zweiter Spur und schaltet die Alarmblinkanlage ein. „Für das Kontrollorgan muss aber eindeutig ersichtlich sein, dass es sich um eine Ladetätigkeit handelt“, sagt Pokorny. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Türen der Ladefläche offen sind und die darin liegenden Pakete ersichtlich sind.
Nun sind aber die Adressen im Großstadtdschungel oft nicht so einfach zu finden und der Fahrer muss das Auto nicht selten für 20 oder 30 Minuten alleine lassen. Wenn bei seiner Rückkehr noch alle Pakete im Wagen sind, hat der Fahrer ein weiteres Mal Glück gehabt. Einer Senkung des Stresspegels trägt diese Praxis jedoch nicht bei. „Stellen Sie sich vor, er wäre mit einem E-Auto unterwegs“, sagt Pokorny. Nach ein paar solcher Stopps wären die Batterien leer.
Hoher Zeitdruck
Rennen muss der Zusteller aber so oder so, denn oft sind die Adressen falsch geschrieben oder einfach nicht vorhanden. „Gute Fahrer finden sie trotzdem, denn sie kennen die Kunden schon und wissen, dass manche Adressen immer falsch geschrieben sind“, sagt Pokorny. Oft haben die Häuser keine Aufzüge und er muss wegen des Zeitdrucks mit den Paketen die Stiegen hinauflaufen. Geht alles gut, sind die meisten Empfänger zu Hause, nicht selten muss er am Abend aber 50 Prozent der Pakete wieder mitnehmen.
Dann muss er das nächste Paketshop seines Auftraggebers suchen, in dem er die Ware lassen kann. Es ist aber gar nicht sicher, dass er seinen „Ballast“ dort abladen kann. Denn oft gibt es das Paketshop gar nicht. Oder es ist bereits voll. „Wenn zum Beispiel in einer Apotheke noch die Pakete der vergangenen drei Tage stehen, wird man dort keine Freude haben, wenn noch mehr dazukommen“, sagt Pokorny.
Hat der Fahrer am Abend die Zeit und Kraft, versucht er nochmals, die Pakete bei den Empfängern abzuliefern. Einige sind dann ja doch zu Hause. Gegen 18 Uhr 30 oder 19 Uhr fährt der Zusteller zurück zum Lager, um die restlichen Pakete zurückzubringen – oder er lässt sie im Wagen. Dann muss er am nächsten Tag noch mehr ausliefern, was er wahrscheinlich um jeden Preis verhindern will. Um etwa 20 Uhr kommt er zu Hause an.
So ist der Zusteller fünf bis sechs Tage pro Woche unterwegs. Manchmal sieht man Lieferwägen auch am Sonntag. Damit kommt dann ein siebenter Tag dazu – jener, an dem er die Pakete ausliefert, die er vorher nicht mehr angebracht hat. Arbeitstage von bis zu 14 Stunden sind die Regel, erzählt Pokorny. Das gilt allerdings nur für „normale“ Arbeitstage. Denn in der Hochsaison, wie zu Weihnachten, ist so ein Arbeitstag noch viel heftiger.
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