„Erst vor Kurzem gelang mit moderner Technik die systematische Neudatierung der ersten Haushühner“, sagt Drapela, die sich zwecks verständlicher Erklärung intensiv mit den Methoden beschäftigt hat, mit denen uralte Knochen verschiedenste Informationen Preis geben.
So gelang es, mittels DNA-Analysen die Domestikation des Wildtieres richtig festzuschreiben; mit etwa 2.000 vor Christus. Die Theorie der 8.000 Jahre alten Mensch-Vogel-Beziehung erwies sich als Fehleinschätzung: Die wenigen Überreste des Bankivahuhns hatten sich – teils winzig, teils durch Dachs und Fuchs tief vergraben – in untere Bodenlagen umgeschichtet. Die Verwechslung mit Fasan trug ebenfalls zum Irrtum bei.
Ab der Antike wurden Eier verwertet
„Erst aus der Antike gibt es Belege, dass Eier verwertet wurden“, zerstreut Drapela die Vorstellung vom Nutztier der Stunde Null. Bei einem Gelege von fünf bis 15 Eiern im Jahr war an einen Verzehr nicht zu denken. (Das tägliche Ei kam schließlich in den 1940ern auf.)
Frühestens um etwa 200 vor Chr. bauten die Römer Ställe und befassten sich mit der Hühnerzucht. Fliesen, Broschen, Terrakottafiguren und schriftliche Überlieferungen zeugen davon.
Der Hahn stand für Männlichkeit und Kampfeslust
Der Hahn stand damals übrigens für Männlichkeit, sexuelles Verlangen, Homoerotik und Kampfeslust.
Die Symbolik der Hennen ist bis jetzt nicht gänzlich geklärt. Beinchen wurden oft als stärkende Grabbeigaben abgetan und wenig untersucht. Da sich in antikem Müll aber kaum Speiseüberreste fanden, musste diese Deutung überdacht werden. Neuerdings wird ebenso den weiblichen Vögeln eine ehrenvollere Bedeutung denn als Delikatesse beigemessen.
Ähnlich wichtig wie den Kelten, Römern und Griechen waren Hühner offenbar den Awaren, die sich im 7. Jahrhundert im heutigen Dreiländereck Österreich – Ungarn – Slowenien niederließen. In den Gräberfeldern bei Wien machten Hühner die Hälfte aller beigegebenen Tiere aus.
In vielen Kulturen hatten Hühner göttlichen Bezug
„Im Christentum stand der Hahn für die Auferstehung Christi. Die Karolinger setzten ihn als Wächter auf die Kirchturmspitze“, führt Drapela weiter zum einst hohen Stellenwert des Federviehs aus.
Auch in anderen Kulturen hatten Hühner oft überirdischen Bezug. Ob altes Griechenland oder afrikanische Mythen: Gottheiten wurden gerne mit Geflügel beschenkt. Hahn und Henne waren Opfer und Wegbegleiter ins Totenreich. Sie dienten als Orakel und für Flüche.
Profan ging es dagegen bei Hahnenkämpfen zu, beschreibt die Autorin nicht nur im Buch. Das blutige Ritual kam wohl kurz nach der Haustierwerdung in China auf. Das lukrative Schauspiel hielt sich regional bis in die Gegenwart.
Hahnenkampf ist bis heute eine Männerdomäne
„Der Hahnenkampf ist gut untersucht. Es geht um Geld. Es ist eine Männerdomäne“, sagt Drapela und stellt das tödliche Hickhack, patriarchale Verhältnissen und häusliche Gewalt in Zusammenhang.
Auch die Geflügelzucht war früher Männern vorbehalten. Queen Victoria war dann die erste Frau, die die Rassezucht im 19. Jahrhundert ankurbelte.
„Es gibt alte Rassen, die unter Qualzucht fallen, wenn z.B. Federn die Augen verhängen, Federfüße bei Gatsch das Laufen erschweren oder Tieren Schwanz und Bürzel fehlen“, wendet sich Drapela den weniger schönen Seiten der Varietät zu.
Masthühner und Legehybride leiden große Qualen
Qualen viel größeren Ausmaßes freilich erleiden Masthühner und Legehybride. „Die Tiere, die unter Schmerzen Gewicht zulegen bzw. Eier legen, können sich nicht wehren. Konsumenten müssen verstehen, dass artgerechte Haltung kostet“, appelliert Drapela. Denn bei aller Liebe zum Ei und zum Fleisch haben die schlauen Charaktertiere noch mehr Liebe und Wertschätzung verdient.
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