Homeinvasion: Mutter verteidigte Kinder heldenhaft gegen Eindringling
Bevor das Opfer am Donnerstagvormittag in den Gerichtssaal kommt, um ihre Aussage zu machen, muss der mutmaßliche Täter den Saal verlassen. Die 43-jährige Mutter zweier Kinder betritt den Saal. Selbstbewusst, mit klarer Stimme beginnt sie ihre Ausführungen. Lange hat sie nicht die Kraft dazu. Denn was ihr geschehen ist, ist kaum in Worte zu fassen.
Die Nacht nach dem Valentinstag dieses Jahres verbringt sie alleine mit den zwei Kindern, 9 und 10, im Haus, der Mann ist dienstlich unterwegs. Etwa um 4.40 Uhr in der Früh hört sie unfassbaren Lärm von unten. Erst glaubt sie, die Katze hätte etwas umgeworfen. Weil der Lärm nicht aufhört, wählt sie den Notruf.
Es ist 4.44 Uhr, als dieser Notruf eingeht. "Die Frau am Telefon hat mir gesagt, wir sollen uns in einem Raum einsperren", erinnert sich die Frau, das habe sie mit ihrem Sohn versucht. Am Weg vom Schlafzimmer - dieses war zum Zeitpunkt des Angriffes noch nicht versperrbar - ins Badezimmer kommt ihr der Mann beim Stiegenaufgang entgegen. "In der Hand hat er schon, wie ich jetzt weiß, ein Messer aus meiner Küche gehabt, damals habe ich nur einen spitzen Gegenstand erkannt", erzählt sie der Richterin. Angriffsbereit, das weiß sie noch genau, sei der Mann gewesen. "Er hat kein Wort gesagt, wie ein Roboter ist er die Stiegen raufgekommen, seine Augen haben mich fokussiert."
"Was suchst du? Willst du Geld?"
"Ein Drogensüchtiger", habe sie gedacht, deshalb habe sie ihm zugerufen: "Willst du Geld? Was suchst du?" Aber der Mann habe sofort auf sie eingestochen, und als die Frau erzählt, wie sie ihren kleinen Sohn hinter sich versteckt, um ihn zu beschützen, versagt ihr die Stimme. Allen im Gerichtssaal stockt der Atem. "Wenn ich sterbe, ist alles aus, auch für die Kinder, habe ich damals gedacht". Sie sei noch ins Schlafzimmer zurück, habe versucht, die Türe zuzuhalten, ihr Kind zu beschützen.
Der Angreifer hatte einen Fuß und eine Hand aber schon in der Türe. Stach nochmals zu. Mehrmals, ohne zu sehen, wen oder was er erwischt. 20 Mal habe er auf sie eingestochen, erinnert sich die Frau. Acht Wunden werden später gezählt. Eine davon lebensbedrohlich. Acht Zentimeter tief, über die Brusthöhle, durch das Zwerchfell in die Bauchhöhle.
Dann sagt sie zu dem Mann, fast mütterlich, wie sie sich erinnert: "Du musst jetzt weglaufen, sonst erwischt dich die Polizei." Und wirklich: Der Mann hat dann von ihr abgelassen. Ist noch an der Tochter vorbei, die unterdessen nach unten gelaufen war, um Geld zu suchen, weil sie ihre Mutter das gleich zu Beginn schon sagen gehört habe.
Danach wählt sie ein weiters Mal den Notruf. Es ist 4.52 Uhr. Das Martyrium der Frau und ihrer Kinder hat acht Minuten lang gedauert.
Sie ist dann mit ihren Kindern noch auf den Dachboden des Hauses geflüchtet, wählt erneut den Notruf, um der Polizei und der Rettung zu sagen, wo sie zu finden ist. Es ist jetzt 4.56 Uhr.
Als die Frau in den Rettungswagen gelegt wird, bittet sie noch ihre Mutter, zu den Kindern zu kommen. Dann: Notoperation, aber am dritten Tag lässt sie sich entlassen: "Es war wichtig, dass ich wieder bei den Kindern bin." Dann erzählt sie, wie es den Kindern geht. Und wieder bricht ihre Stimme. Auch sie hat mit den Folgen zu kämpfen. Vor allem, wenn es finster wird. Die Angst ist geblieben. Immer.
Der Anwalt des Mannes bietet der Frau nach ihrer Zeugenaussage 3.000 Euro an, die die Eltern des Angreifers für sie und ihre Kinder überwiesen haben. Die Frau lehnt ab: "Die Eltern sollen das besser für die Therapie ihres Sohnes einsetzen."
"Schrecklich, was ich der Frau angetan habe"
Der Mann, er ist nicht Angeklagter, sondern Betroffener, weil die Staatsanwaltschaft eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt hat, sagt zur Richterin nur einen Satz: "Es ist schrecklich, was ich der Frau angetan habe." Zwei Fragen beantwortet er noch: Ober er einsehe, dass er krank ist und ob er Medikamente brauche? "Ja."
Sein Anwalt hat zuvor schon betont, dass dem 35-Jährigen bewusst sei, dass er die Tat begangen habe, in einem Haus, das er zufällig ausgewählt habe: "Er hat geglaubt, er wird verfolgt." Der Mann verstehe auch, dass die Einweisung in eine Anstalt plausibel und richtig sei.
Das untermauert auch das psychiatrische Gutachten: "Hier liegt eindeutig eine paranoide Schizophrenie vor." Diese habe schon zum Zeitpunkt der Tat jedenfalls bestanden, wohl schon vorher. Von dem Mann gehe eine hohe Gefährlichkeit aus: "Die Gefahr, dass so etwas wieder passiert, wenn er nicht in Therapie ist, ist sehr hoch. Deshalb ist eine Einweisung unbedingt erforderlich." Zum Zeitpunkt der Tat sei der Mann jedenfalls nicht in der Lage gewesen, sein Verhalten zu kontrollieren.
Dieses Gutachten war auch die Grundlage für den Antrag der Staatsanwaltschaft, den Mann in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen. Die Geschworenen folgten dem Antrag der Staatsanwaltschaft und den Aussagen des Gutachters, das Urteil gegen den 35-Jährigen, der nächste Woche Geburtstag hat, ist bereits rechtskräftig.
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