Hochwasser in der Slowakei: Üben bis zur Belastungsgrenze
Dienstag, 9.18 Uhr: Eine Alarm-SMS wird an die Mitglieder des Samariterbundes verschickt: „Übung Achtung Alarmierung Einsatz SA-RRT. Hochwasser Slowakei.“ Zehn Stunden später versammeln sich 39 Einsatzkräfte vor der Zentrale des Samariterbundes in der Wiener Hollergasse 2. In voller Montur, den Rucksack am Rücken, wird eine letzte Zigarette geraucht, bevor das Missionbriefing startet.
Teameinteilung
Um 20.30 Uhr erklärt Benjamin Manahl, der stellvertretende Leiter der Einsatzabteilung, die Situation vor Ort. „Die Slowakei kämpft mit einer Hochwasser-Katastrophe. In der Region Kežmarok gibt es 15 Tote und mehr als 150 Verletzt.“ Binnen einer Stunde werden die Teams in Gruppen eingeteilt: Logistik, Sicherheit, Management. Im Anschluss erhält jeder seine Ausrüstung.
Gegen 22.30 Uhr geht es nach Wiener Neustadt in eine Lagerhalle des Samariterbundes. Die Einsatzkräfte beladen die 13 Fahrzeuge. Kartons mit Decken, Zelten und Getränken stapeln sich in den Autos, ein Generator wird an den Lkw gehängt. „Letzte Klo-Möglichkeit ist jetzt vorbei!“ schallt es dann durch die Halle, bevor sich der Konvoi mit 39 Mann, fünf Rettungshunden und elf Tonnen Material in Bewegung setzt.
Eine lange Nacht
Um 2 Uhr nachts erreicht der Samariter-Zug die Grenze. Die Müdigkeit steht nun einigen Einsatzkräften ins Gesicht geschrieben. Nach einem „Ready to depart“-Funkspruch geht es weiter Richtung Kežmarok. Ankunft: 8.15 Uhr. Nur wenige Minuten danach öffnet das „Bäckerstandl“: Ein Auto, das der Samariterbund vor Jahren einem Bäcker abkaufte und das seither den SA-RRT-Mitgliedern als Futterquelle bei Einsätzen dient. SA-RRT steht für „Samaritan Austria Rapid Response Team“ und bezeichnet eine Sondereinheit, die auf Auslandskatastrophenhilfe spezialisiert ist.
Gegen 10 Uhr treffen Partnerorganisationen aus Deutschland und der Slowakei ein. Nach Absprache mit den Teamleadern steht fest: Das Lager wird an einem Fußballplatz aufgeschlagen. Dort angekommen, entladen die Teams die Fahrzeuge und bauen das Lager auf. Priorität hat das „Base of Operation“-Zelt. „Das ist quasi das Headquarter, die gesamte Kommunikation läuft hier zusammen“, sagt Peter Kummerfeld, einer der Teamleader. Erholung gibt es für die Einsatzkräfte aber nicht: Gegen 15.45 Uhr startet die erste Übung. Dutzende „Verletzte“ werden ins Lager gebracht, da die örtlichen Spitäler keinen Platz mehr haben.
Erstversorgung
Ein Rettungsauto fährt vor, der Fahrer springt heraus. „Zu Hilfe, ich habe diesen Mann gefunden!“ Der „Verletzte“ wird sogleich von einem der Sanitäter versorgt. Hartmut Stefani, Chefarzt einer Klinik in Merseburg, koordiniert die Übung. „Verletzter Arm, der Mann braucht einen Verband an der Schulter“, ruft er. Die Aufgabe verlangt vor allem den jungen Einsatzkräften viel ab. Das Trainingsmanöver ist gleichzeitig auch die Abschlussübung für die Neuanwärter der SA-RRT.
„Ich habe erwartet, dass wir nicht direkt mit den Patienten arbeiten, sondern eher für den Transport oder die Administration zuständig sind. Da waren schon einige Stresssituationen dabei“, schildert Benjamin Cejka, der das erste Mal dabei ist.
Nächtlicher Einsatz
Trotz stundenlangem Aufbau, Müdigkeit und Kälte ist der Tag noch nicht vorbei. Gegen 22.30 Uhr werden die RRT-Mitglieder zur Evakuierung eines Seniorenheims gerufen. Mit Stirnlampen und Helmen macht sich die Hälfte des Teams auf den Weg. Binnen weniger Minuten werden zwei große Scheinwerfer aufgestellt. Aus dem „Seniorenheim“ dringen Schreie und Klopfgeräusche, die das Brummen des aufgebauten Generators übertönen.
Wegen eines Missverständnisses mit der örtlichen Feuerwehr dauert es allerdings Stunden, bis die Opfer aus dem Gebäude befreit werden. Nach einer kurzen Nacht gibt es am nächsten Tag um 7 Uhr Frühstück. Beim ersten Kaffee wird der Abend nachbesprochen, bevor bereits die nächste Übung ansteht: Eine Suchaktion rund um den See Belanski Rybnik. Fünf „Verletzte“ müssen geborgen werden. Bis 18 Uhr dauert die Aktion. Am nächsten Tag sind die jungen Einsatzkräfte besonders gefordert: Aufgrund einer „Flutwelle“ werden mehrere Personen unter eingestürzten Häusern vermisst. Mit verschiedenen Rettungstechniken befreien die RRT-Mitglieder die Opfer.
Die Übung sollte bis Sonntag dauern. Auf der Rückfahrt nach Wien zieht der stellvertretende Leiter der Einsatzabteilung Bilanz: „Wir sind müde, aber glücklich. Die Leistung der Teilnehmer war mehr als beeindruckend, alle haben ihr Bestes gegeben.“
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