Heikle Namen: Capistranstiege soll umbenannt werden
Wenn es um Ferry Dusika geht, wird Historiker Peter Autengruber deutlich. Bei manchen Personen sei eine Grenze überschritten. Radsport-Legende Dusika sei so eine Person. „Seine Radsport-Zeitschrift war ein Kampfblatt der NSDAP“, sagt Autengruber. Er appelliert, das neue Sportstadion nicht wieder nach ihm zu benennen. „Man könnte sich des Ganzen nun elegant entledigen.“
Ob das passieren wird, hat Sportstadtrat Peter Hacker (SPÖ) noch nicht entschieden. Dabei hätte die ganze Sache schon längst erledigt sein können.
Denn schon 2015 beschloss das Bezirksparlament des 2. Bezirks mit den Stimmen von Grünen und SPÖ einen Antrag auf Umbenennung des Ferry-Dusika-Stadions auf Stephanie-Endres-Stadion (Endres war Sportwissenschafterin, Anm.).
Umgesetzt hat die Stadt das nicht.
Während also weiterhin auf den offiziellen Namen des neuen Wiener Sportstadions gewartet wird, ist jetzt von der Umbenennung einer anderen bekannten Wiener Örtlichkeit die Rede: der Capistranstiege, die die Windmühlgasse mit der Fillgradergasse in Mariahilf verbindet.
Veränderung
Die Grünen im Bezirk haben einen Antrag auf Umbenennung in Ilse-Pisk-Stiege eingebracht. Die Jüdin Pisk hat in den 1930ern die Wiener Oberschicht porträtiert, bis sie deportiert und 1942 im KZ ermordet wurde.
Die Neos wiederum wollen Veränderung bei der angrenzenden Capistrangasse: Sie haben einen Antrag für eine Zusatztafel eingebracht. In der Begründung sind sich beide Parteien einig: Johannes Capistran war Antisemit.
Wanderprediger Johannes Capistran war Judengegner. (...) Als es in Breslau 1453 zu einem Pogrom gekommen war, ließ Capistran 318 Juden verhaften, beschlagnahmte ihr Eigentum und ließ 41 von ihnen verbrennen.
Umstritten
Das schreiben Historiker Oliver Rathkolb und sein Expertenteam im Buch „Umstrittene Wiener Straßennamen“. Zwei Jahre lang haben sie die personenbezogenen Verkehrsflächen Wiens auf historisch problematische Persönlichkeiten untersucht; die Ergebnisse wurden 2013 präsentiert.
Acht Jahre später erinnern in Mariahilf immer noch zwei Verkehrsflächen an Capistran. Mutmaßlicher Grund, warum er einst mit Straße (und Stiege) geehrt wurde: Er war Berater mehrere Päpste und ist der Schutzpatron der Rechtsanwälte.
Lange Debatte
Die Debatte um Umbenennung oder historische Einordnung von Straßennamen ist in Wien eine, die schon viele Jahre andauert – und 2011 ihren Anfang genommen hat. Anlassfall war die Debatte um den Karl-Lueger-Ring, der 2012 schließlich – als einer von äußerst wenigen Straßennamen auf Wunsch der Uni Wien auch tatsächlich unbenannt wurde – in Universitätsring.
Nach der Diskussion um den Ring sind viele weitere problematische Straßennamen ins Licht der Öffentlichkeit gerückt: die Porschestraße etwa oder der Lueger-Platz.
159 Namen
Bis zur Präsentation ihres Berichts 2013 hat die Historikerkommission 159 Wiener Straßennamen als heikel eingestuft. 28 als Fälle mit intensivem Diskussionsbedarf. Sie wurden mittlerweile alle aufgearbeitet. Die meisten Straßen wurden mit Zusatztafeln versehen. Die vorerst letzten im Sommer 2019. Sechs Jahre nach der Veröffentlichung des Berichts. „Die Erstellung der Tafel bedarf eines komplexen Abstimmungsprozesses“, heißt es aus dem Büro von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ). „Das Thema ist sensibel, auf den Tafeln ist nicht viel Platz, es müssen viele Gremien einverstanden sein.“
Zuletzt wurde auch über das Lueger-Denkmal beim Stubentor debattiert – ausgelöst durch die weltweite Diskussion über Rassismus und Kolonialismus, im Zuge derer vielerorts Statuen gestürzt wurden. Für Aufregung sorgte der Streit um Kleine und Große Mohrengasse im 2. Bezirk sowie die Mohren-Apotheke im 1. Bezirk.
Kolonialbezug
Die Mohrenapotheke hat sich nach der Kritik um historische Aufarbeitung bemüht, nun muss auch auf die Entscheidung zur Mohrengasse nicht mehr allzulang gewartet werden.
Rathkolb und Autengruber wollen im März die Ergänzung zu ihrem Historikerbericht präsentieren. 15 bis 20 neue Straßennamen wurden beleuchtet. Straßennamen mit Kolonialbezug wurden untersucht, „die wir damals in der Fülle der Namen einfach übersehen haben.“
6.600Verkehrsfläche gibt es in Wien. 4.379 von ihnen tragen personenbezogene Namen. 88 Prozent dieser Straßen sind nach Männern benannt.
159 Straßennamen hat die Historikerkommission im Jahr 2013 als historisch kritisch eingestuft. Das sind immerhin 3,6 Prozent aller Verkehrsflächen.
28Namen waren besonders heikel. Diese Straßenschilder sind in der Zwischenzeit mit Zusatztafeln versehen worden, die letzte wurde 2019 angebracht. Umbenennungen gab es auch: Der Wilhelm-Neusser-Park heißt jetzt Wanda-Lanzer-Park, der Richard-Kuhn-Weg nun Stadt-des-Kindes-Weg.
60 Seiten hat das Ergänzungswerk der Historikerkommission mit 15 bis 20 neuen heiklen Straßennamen. Das Werk soll im März vorgestellt werden. Es wurden Persönlichkeiten oder Namen mit Kolonialbezug untersucht – etwa die Große Mohrengasse oder der Columbusplatz.
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