Hebammen: "Wir müssen mehr werden"

Babyboom blieb im Corona-Jahr zwar aus, Hebammen waren aber sehr gefordert.
Corona macht Betreuung der Frauen anstrengender. Rechnungshof stützt Forderung nach mehr Ausbildungsplätzen.

Schwangere, die sich derzeit bemühen, nach der bevorstehenden Geburt im Sommer die Wochenbettbetreuung einer Hebamme in Anspruch zu nehmen, merken rasch: es herrscht Facharbeitermangel. Der Grund dafür ist aber nicht, wie man vermuten möchte, ein coronabedingter Babyboom, sondern der personell unterbesetzte Berufsstand der Hebammen. Und wohl auch die mühsameren Arbeitsumstände, die die Pandemie und die Lockdowns mit sich bringen.

„Wir sind ein Basisberuf im Gesundheitswesen. Um alle im Hebammengesetz definierten Aufgaben leisten zu können, müssten wir mehr sein“, sagt Beatrix Cmolik. Sie ist die neue Vorsitzende des niederösterreichischen Hebammengremiums. Mehr als ein Vierteljahrhundert arbeitet Cmolik in dem Beruf, der meist nur mit dem Bild der fachkundigen und resoluten Geburtsbegleiterin im Kreißsaal verbunden wird.

Hebammen: "Wir müssen mehr werden"

Beatrix Cmolik, Vorsitzende des Hebammengremiums in Niederösterreich

Viele Kinder

Doch der Wirkungskreis der Frauen, deren Berufsbild auch aus historischen Gründen etwas Mystisches anhaftet und die als Kämpferinnen für das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren gelten, ist viel größer.

„Ich habe noch nie so viel gearbeitet“, schildert die Sprecherin der 440 niederösterreichischen Hebammen das abgelaufene Corona-Jahr. Ihr Eindruck, dass aufgrund der Lockdowns mehr Babys unterwegs seien, wird aus den Geburtenstationen allerdings nicht bestätigt. „Aber es sind viele Kinder und das ist ein schönes Zeichen in schwierigen Zeiten“, sagt sie.

2.500 Hebammen arbeiten in Österreich. Rund 600 sind in Krankenhäusern angestellt, 530 arbeiten in der freien Praxis.

1.400 Frauen üben den Hebammenberuf neben ihrer Anstellung in Spitälern auch noch frei praktizierend aus. Über ihre Aufgaben und Leistungen informiert das Österreichische Hebammengremium. (www.hebammen.at)

83.493 Neugeborene werden in der vorläufigen Zählung der Statistik Austria für 2020 ausgewiesen. Deutlich weniger als 2019 (84.222), 2018 (84.804), 2017  (87.633). 2020 wurden in Wien 19.108 Babys geboren, ein Minus von 4,1 Prozent. In OÖ waren es 14.748 (-2,1), in NÖ 14.602 (-0,3). Kärnten  erreichte mit einem Plus von 1,6 Prozent als einziges Bundesland ein positives Ergebnis.

Denn es sind Zeiten, in denen sich die Arbeitsumstände ihres Berufsstandes nicht nur in den Spitälern verschärft haben. Größte Vorsicht ist auch beim verpflichtenden Hebammengespräch, das jede Schwangere wahrzunehmen hat, und natürlich bei der Betreuung der Frauen im Wochenbett geboten.

Wochenbett

Weil sich auf den Geburtenstationen die Aufenthaltsdauer der Mütter und Babys, bei denen keine Komplikationen aufgetreten sind, auf zwei Tage reduziert hat, sei die Betreuung nach der Geburt daheim umso wichtiger, versichert Cmolik. „Jemand muss den Müttern auch sagen, dass sie sich vier bis sechs Wochen schonen müssen, oder dass eine Geburt etwas ganz Außergewöhnliches ist. Da kann es schon auch psychisch etwas rumpeln“, so die erfahrene Hebamme aus Waidhofen an der Ybbs.

Aus vielerlei Gründen, oft aus Unwissenheit, würden viele junge Eltern die Unterstützungsarbeit nach der Geburt, die auch mit Eigenkosten verbunden sein kann, nicht in Anspruch nehmen. „Das ist schade. Gerade in der Wochenbettzeit ist der Erfahrungsschatz unserer Frauen wertvoll“, meint Cmolik im KURIER-Gespräch.

Ausbildungsplätze

Für sie hat die Corona-Zeit aber auch viel Positives in die Geburtskliniken gebracht. „Weil Verwandtenbesuche nicht erlaubt sind, stehen die Frauen unter weit weniger Stress. Brustentzündungen sind fast verschwunden, die Stillverläufe weit optimaler als vor Corona“, erzählt Cmolik. Ihr Wunsch: „Wenn es etwas gibt, das beibehalten werden soll, dann die Ruhe auf den Geburtenstationen.“ Für ihre Arbeit als Funktionärin hat Cmolik das Wohl und die ordentliche Bezahlung ihrer Kolleginnen im Blick, aber vor allem auch die Schaffung neuer Ausbildungsplätze. Dafür werde sie sich bei den Gesundheitspolitikern einsetzen.

Ein Argument lieferte ihr zu Jahresbeginn der Rechnungshof. Der kritisierte, dass es in NÖ und Wien nicht nur Nachholbedarf bei der medizinischen Betreuung Neugeborener gibt. Auch die Zahl der Hebammen ist zu gering. Werden für Österreich 26 Hebammen pro 1.000 Lebendgeburten ausgewiesen, liegt der OECD-Schnitt bei 35.

„Ausbildungsplätze sind teuer. In Niederösterreich schließen jährlich rund 20 Frauen die dreijährige Ausbildung ab“, hofft Cmolik, dass es bald mehr werden.

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