Gewalt in der Obsorge: "Besuchsrechte stehen oft über Opferschutz"

Gewalt in der Obsorge: "Besuchsrechte stehen oft über Opferschutz"
Europarat stellt Lücken im Gewaltschutz in Österreich fest. Experten kritisieren vor allem familienrechtliche Verfahren.

Auch wenn Frauen ins Frauenhaus flüchten, können sie von Zivilgerichten verpflichtet werden, Besuchskontakte zwischen ihren Kindern und dem gewalttätigen Vater zu ermöglichen. Das gilt auch, wenn gegen den Gefährder bereits ein Betretungs- und Annäherungsverbot verhängt worden ist.

Das ist nur einer von mehreren Kritikpunkten der Expertengruppe für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Grevio) für Österreich.

„Die Besuchsrechte hebeln oft den Opferschutz aus. Sachverständige an Familiengerichten argumentieren, dass sich das Kind vom Vater entfremdet, wenn es ihn nicht regelmäßig sieht“, sagt Andrea Czak, Obfrau des Vereins Feministische Alleinerzieherinnen (Fema) bei einer Pressekonferenz. 

Bessere Schulung von Familienrichtern gefordert

Dieses Argument entbehre aber jeglicher wissenschaftlichen Grundlage. Frauenfeindliche Konzepte, die Gewalt ermöglichen, wie etwa die „Bindungsintoleranz“ oder das das genannte „Entfremdungssyndrom“ müssten per Gesetz verboten werden, betont Czak. Wichtig sei auch eine bessere Schulung von Familienrichtern sowie Sachverständigen.

Schulen über Betretungsverbote informieren

Ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt beim Thema Gewalt seien auch Schulen und Kindergärten. „Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen sollten ausnahmslos bei Verhängung eines Betretungs- und Annäherungsverbots informiert werden“, so die Fema-Obfrau. Um Gewaltschutz langfristig umzusetzen, fordert Juristin Katharina Beclin auch Verbesserungen bei der Strafverfolgung

„Trotz Erlasses des Justizministeriums mit Richtlinien zur Strafverfolgung häuslicher Gewalt berichten Praktiker nach wie vor von einer hohen Einstellungsrate. Um dieser entgegenzuwirken, braucht es Prozessbegleitung bei der ersten Einvernahme, mehr Planstellen für die Staatsanwaltschaft und verpflichtende Schulungen“, so Beclin.

Was in Österreich auch fehle, sei Transparenz bei finanziellen Förderungen von Gewaltschutzmaßnahmen. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Einrichtungen und NGOs mit einjährigen Förderverträgen vor große Herausforderungen gestellt werden. Besonders jetzt vor der Wahl ist vieles unklar“, sagt Klaudia Frieben vom Österreichischen Frauenring.

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