Grazer KPÖ-Bürgermeisterin Kahr: „Bin politisch nicht isoliert“

Grazer KPÖ-Bürgermeisterin Kahr: „Bin politisch nicht isoliert“
Grazer KPÖ-Bürgermeisterin. Elke Kahr über ihre Gesprächsbasis mit dem Landeshauptmann und Konzernbossen, über Hilfe von Ministerin Leonore Gewessler und ihren Blick zu Hans Peter Doskozil.

Seit 17. 11. ist Elke Kahr Bürgermeisterin von Graz. Doch nicht der Umstand, dass sie es als erste Frau in dieses Amt geschafft ist, sorgte für Interesse, sondern ihre Partei: Die 60-Jährige ist Kommunistin.

KURIER: Als Sie Bürgermeisterin geworden sind, hat das auch international für Zeitungsmeldungen gesorgt.

Kahr: Ich habe dazu fünf Ordner voll mit eMails, und das sind nur die, die ich ausgedruckt habe.

Sind schon internationale Politiker gekommen, die sich anschauen wollen, wie das Grazer Modell funktioniert?

Es gibt wirklich viele, die eine Blaupause wollen. Aber ich habe jedem zurückgeschrieben, die gibt’s nicht.

Wie ist Ihre Gesprächsbasis zu ÖVP-Landeshauptmann Schützenhöfer? Im Vorfeld wurde ja vermutet, Sie werden politisch isoliert sein.

Das ist alles nicht der Fall. Ich bin ja schon lange in der Kommunalpolitik, ich kenne und schätze viele Leute. Aber dass mein Blick von unten ist, das ist klar, daraus mache ich eh nie ein Hehl. Das heißt aber nicht, dass wir nicht alle, die in Graz sind, brauchen.

Das ist ja die Aufgabe als Bürgermeisterin, dafür zu sorgen, dass die Gesprächsbasis mit allen gut läuft, dass die Bedingungen und der Rahmen für alle gut passen. Es braucht aber auf jeden Fall eine Verschiebung der Mittel und des Hinschauens, vor allem zu jenen, denen es nicht so gut geht. Das ist unsere Verpflichtung, finde ich.

Wie ist Gesprächsbasis mit der Wirtschaft, wenn zum Beispiel Konzernbosse zu Ihnen kommen?

Überhaupt kein Problem. Es freut mich, als Bürgermeisterin mitzuhelfen, wo diese Betriebe uns als Kommune brauchen. Die brauchen uns ja dort, wo es darum geht, den Standort gut zu erhalten.

Wir werden kein Fahrverbot für Lkw machen, sodass diese nicht zum Betriebsgelände kommen. Das wäre ja etwas, mit dem man einen Standort schwächt.

Wir haben mit Siemens einen Betrieb mitten in der Stadt, das ist ein Spitzenbetrieb. Die eröffnen im Juni einen neuen Bereich und freuen sich, wenn ich als Bürgermeisterin dabei bin und das wertschätze.

Warten Ihre politische Kontrahenten schon darauf, dass die KPÖ-Bürgermeisterin scheitert?

Das weiß ich nicht. Ich kann nur sagen: All das,

was mich Journalisten fragen, fragen mich die Leute in Graz nicht. Die wissen, wie wir denken, auf welcher Seite wir stehen. Ich habe keine Ahnung, wer Interesse daran hat und das will ich auch nicht deuten.

Sehr oft kommt was von den Neos. Aber die sind eine Partei der Eliten, die wenig übrig haben für den überwiegenden Teil der Bevölkerung, dem es nicht so gut geht. Die würden ja in Österreich lieber heute als morgen alles verkaufen, was öffentliche Hand ist, und privatisieren. Diese Kritik an mir nehme ich nicht ernst.

Die müssen ganz konkret auch einmal etwas für die Leute tun und nicht nur große Sprüche klopfen. Aber auf der Ebene der Kommunalpolitik gibt es eine gute Zusammenarbeit.

Wie steht man denn mit der Bundesebene? Graz braucht für viele Vorhaben Geld auch vom Bund, Stichwort öffentlicher Verkehr.

Der Bund hat die Stadt Graz bisher überhaupt nicht gesehen. Man wundert sich eigentlich, dass es der Partei, die im Bund maßgebend Entscheidungen trifft, der ÖVP, nicht gelungen ist, Mittel für Graz zu lukrieren.

Jetzt ist die Chance eigentlich groß, dass Ministerin (Leonore, Anm.) Gewessler für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs erstmals auch finanzielle Mittel freimacht. Das ist besprochen.

Wien weitet das Parkpickerl auf das gesamte Stadtgebiet aus. Wäre das auch ein Modell für Graz?

Immer. Die sukzessive Ausweitung ist absolut sinnvoll und durchaus ein gemeinsames Ziel.

Graz hat erstmals ein Frauenduo an der Spitze. Woran merkt man als Bürgerin oder Bürger den Unterschied, dass Graz von Frauen regiert wird?

Es war in den Jahrzehnten, wo ich in Graz Politik mache, immer im Fokus, zu schauen, wie die soziale und ökonomische Stellung von Frauen ist. Wie ist das mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Wie schaut das mit den Kinderbetreuungseinrichtungen aus?

Und da kann ich in jedem Fall sagen, das werde ich weiter fortsetzen, ich bin ja auch Frauenstadträtin. Wir wollen gegensteuern, was die Teuerung betrifft, das wirkt sich im Graz-hilft-Fonds aus.

Wir haben die Betriebskosten nicht erhöht, wir haben die Sozialcard ausgeweitet und werden sie weiter ausweiten.

Im Öffentlichen Dienst wollen wir schauen, dass Frauen, die Vollzeit arbeiten möchten, diese Möglichkeit auch bekommen. Wichtig ist, auch bezahlbaren Wohnraum auszubauen.

Eine soziale Maßnahme, die Landeshauptmann Hans Peter Doskozil im Burgenland gesetzt hat, war der Mindestlohn für alle Landesbediensteten. Wäre das für die Stadt Graz denkbar?

Er ist Landeshauptmann, er hat ein Landesbudget. Aber das wäre super. Ich halte das burgenländische Modell des Beitrages für pflegende Angehörige für gut. Das ist eine Maßnahme, von der ich mir vorstellen könnte, dass wir sie uns in der Stadt anschauen.

Anm.: Das ist der 2. Teil eines Interviews mit Elke Kahr. Wie sie zum Ukraine-Krieg und zu Putin steht, ist bereits am 8.3. im KURIER erschienen.

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