Grazer IS-Prozess: "Stützpunkt für Erziehung von Glaubenskriegern"

Der IS-Prozess geht in die letzte Verhandlungswoche
Eines der größten Terror-Verfahren Österreichs startete heute in Graz. Staatsanwalt prangert "falsche Toleranzpolitik" an.

"Sie sind Ideologen", beschreibt der Staatsanwalt die Männer, die er als Hauptangeklagte betrachtet. "Sie sehen sich als Elite, sie sind eine Sekte in Österreich, aber Autoritäten im ganzen deutschen Sprachraum."

Gefährliche Autoritären, warnt der Grazer Ankläger in einem der größten Dschihadisten-Prozesse Österreichs. Am Freitag startete das Verfahren gegen 13 Angeklagte wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation, von denen allerdings nur elf kommen, zwei sind untergetaucht. Der Hauptangeklagte, ein 44-jähriger bosnischer Prediger, wird aus der U-Haft vorgeführt, die übrigen sieben Männer und drei Frauen sind auf freiem Fuß.

Ihnen allen, aber vor allem dem Prediger, wirft der Staatsanwalt vor, den IS unterstützt und zum Dschihad aufgerufen zu haben. 38 Menschen sollen durch diese Beeinflussung tatsächlich nach Syrien gegangen sein, Familien mit insgesamt 22 kleinen Kindern.

Zum Stützpunkt des radikalen Islamismus in Graz sei der Verein "Taqwa" geworden, den mehrere Angeklagte in diesem Prozess führten und in dem der Prediger lehrte. In den Unterlagen des Vereins fanden sich neben den islamistischen Schriften des 44-Jährigen auch Aufrufe zum Terror, betont der Ankläger. "Das war wie ein Drehbuch: Wie verübt man Terrorangriffe, wie tötet man Menschen."

"Falsche Toleranzpolitik"

Kindern seien dort Liedertexte wie "Kalifat von Medina bis Graz" gelehrt worden, sie hätten mit den Eltern IS-Propagandafilme schauen müssen. "Der Verein war ein Stützpunkt des IS in Graz", glaubt der Ankläger. "Ein Stützpunkt für die Erziehung von Glaubenskriegern. Die haben in dem Verein die Ideologie des IS gelebt." Der Staatsanwalt mahnt: Das sei mitten in Österreich möglich gewesen. "Wie dürfen hiern nicht wegschauen. Die ganze falsche Toleranzpolitik muss aufhören."

Der Prediger habe Elend über Familien gebracht, über Kinder. "Sich davon stehlen geht nicht. Er ist ein Zündler. Zu sagen, man kann nichts dafür, dass sich jemand in die Luft sprengt, weil er meine Bücher gelesen hat, das gilt nicht. Er ist der Anstifter."

Die Angeklagten wurden im Zuge der "Operation Josta" festgenommen, Razzien Ende Jänner 2017. Die meisten kamen in U-Haft, wurden allerdings freigelassen. Im Sommer 2018 wurden die letzten Beschuldigten enthaftet, unter ihnen auch der Prediger. Das Oberlandesgericht Graz gab Haftbeschwerden statt, obwohl der Richtersenat selbst die mutmaßlichen Dschihadisten und IS-Sympathisanten als gefährlich einstufte. Allerdings rüffelten die Richter die Staatsanwaltschaft Graz: Diese brauche zu lange mit der Anklage.

"Nur Ort des Gebets"

Der Verteidiger des Predigers versucht, dessen Rolle und den Glaubensverein selbst herunterzuspielen. "Das war ein Ort des Gebets und der Begegnung. Das ist nicht strafbar." Sein Mandant sei ein Religionsgelehrter, dessen Schriften so hochstehend seien, dass "der Rest, der hier sitzt, das gar nicht versteht." Und die 38 "Taqwa"-Mitglieder, die sich dem IS anschlossen? "Das war eine eigenständige Entscheidung erwachsender Leute", kommentiert der Anwalt. "Ohne jede Beeinflussung."

Am Montag geht der Prozess weiter, das Verfahren soll bereits Ende November abgeschlossen sein.

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