Gletscherbäche: Eiskalt und heiß begehrt

Die Gletscher- und Gebirgsbäche aus dem Nationalpark Hohen Tauern speisen zahlreiche Flüsse, darunter Salzach, Inn, Donau und Drau.
Nach ihrer Unterschutzstellung spielen Gletscherbäche vermehrt im Hochwasserschutz eine Rolle.

Der Ausflug ins Obersulzbachtal im Nationalpark Hohe Tauern dauert ungefähr fünf Minuten, als die Natur das Kommando übernimmt. Wenige Hundert Meter nach Beginn der Nationalpark-Außenzone hat ein nächtliches Gewitter seine Spuren hinterlassen. Auf etwa 100 Metern Länge hat eine Mure eines Nebenbaches die Forststraße verschüttet, an eine Weiterfahrt ist nicht zu denken. Der Besuch des Obersulzbachtals entfällt, es geht weiter ins benachbarte Untersulzbachtal.

Wie oft eine derartige Mure pro Sommer im Nationalpark vorkommt, lässt sich schwer sagen. „Das ist ganz unterschiedlich und kommt auf die Gewitterhäufigkeit des Sommers an“, sagt Ferdinand Lainer, stellvertretender Nationalparkdirektor. Eines sei aber sicher. „Im Klimawandel mit den häufigeren Extremereignissen kommt es immer öfter vor, dass so etwas passiert.“ In der Außenzone, wo der Murenabgang passiert ist, sind beschränkte Eingriffe erlaubt, die Straße wird wieder freigeräumt.

In der Kernzone, in der es keine Straßen mehr gibt, wird kaum mehr eingegriffen, so wie im Untersulzbachtal. „Es ist das raueste und wildeste Tal, das wir im Nationalpark haben“, erzählt Lainer. Die Spuren der winterlichen Lawinen sind hier im Frühsommer noch gut ersichtlich. Ganze Bäume liegen ebenso herum wie kleine abgerissene Wipfel. „Das Tal verändert sich ständig, weil wir hier die natürliche Dynamik haben“, sagt der Naturraummanager des Nationalparks.

Dass sich das Tal weiterhin selbstständig formt und nicht direkt vom Menschen einen anderen Charakter bekommen hat, ist keine Selbstverständlichkeit. Bis zur Einrichtung des Nationalparks auf Salzburger Seite im Jahr 1984 waren durchaus auch andere Nutzungsformen in der Diskussion. „Es gab große Interessenskonflikte bei der Werdung des Nationalparks“, erinnert sich Lainer.

Diese Konflikte entzündeten sich an einem Thema, das alle österreichischen Nationalparks verbindet und das auch aktuell in aller Munde ist – am Wasser. Es gab Pläne, den Ober- und Untersulzbach für ein Kraftwerk ins benachbarte Hollersbachtal auszuleiten. „In der Venedigergruppe wäre die Möglichkeit des Heli-Skiings ein Thema gewesen“, erzählt Lainer. Nutzungsformen, die ohne Wasser nicht denkbar wären. Durch den Nationalpark wurden Ober- und Untersulzbach als zwei der letzten freifließenden Gletscherbäche unter Schutz gestellt.

Schutz durch Ökologie

Seit der Einrichtung zeigen sich die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher. „In den letzten Jahren stehen wir immer mehr vor der Herausforderung, wie wir mit den Gewässern und vor allem den Hochwässern umgehen“, sagt Lainer.

Der Nationalpark will nun ein Gewässerentwicklungs- und Risiko-Management umsetzen. „Dabei geht es weniger um den Schutz, sondern primär um ökologische Aspekte. Es sollte dazu dienen, dass man den Zustand der Gewässer verbessert“, erklärt Lainer. Allerdings hat das Programm auch eine Komponente des Hochwasserschutzes. „Ich bin überzeugt, dass Hochwasser- und Naturschutz kombinierbar sind. Die Strategie im Hochwasserschutz außerhalb des Nationalparks ist, dass man die Ufer aufweitet und den Gewässern Platz gibt“, sagt er.

Denn je länger das Wasser in den Bächen in den Tälern bleibe, desto langsamer gelange es in die Flüsse. Uferaufweitungen hätten mehrere Effekte. „Sie bringen bei Hochwasser viel, für den Naturschutz viel und als Erholungsraum für den Menschen viel“, sagt Lainer. Die Aktualität des Themas Hochwasserschutz zeigte sich im Frühsommer als die rasche Schneeschmelze in Tirol, Vorarlberg und Kärnten zu Überschwemmungen führte.

Der Besuch erfolgte auf Einladung der Nationalparks Austria.

Kommentare